Nachfolgend ein Beitrag vom 4.5.2016 von Eisenschmid, jurisPR-MietR 9/2016 Anm. 2
Leitsatz
In der Wohnraummiete genügt zur Übertragung der Betriebskosten auf den Mieter die – auch formularmäßige – Vereinbarung, dass dieser „die Betriebskosten“ zu tragen hat. Auch ohne Beifügung des Betriebskostenkatalogs oder ausdrückliche Bezugnahme auf § 556 Abs. 1 Satz 2 BGB und die Betriebskostenverordnung vom 25.11.2003 (BGBl I 2003, 2347) ist damit die Umlage der in § 556 Abs. 1 Satz 2 BGB definierten und in der Betriebskostenverordnung erläuterten Betriebskosten vereinbart.
A. Problemstellung
Reicht es für eine zulässige Überwälzung der Betriebskosten auf den Mieter aus, wenn – auch formularmäßig – im Mietvertrag lediglich auf § 556 Abs. 1 Satz 2 BGB verwiesen wird?
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Parteien streiten darüber, ob die beklagten Mieter zur Tragung von Betriebskosten verpflichtet waren. Der Formularmietvertrag aus dem Jahre 2007 enthält unter der Überschrift Miete u.a. folgende Regelung:
Ziffer 1
„Vorauszahlungen auf die übrigen Betriebskosten gemäß Anlage 3 zu § 27 Abs. 2 II. BV (Abwassergebühren, Steuern, Versicherung etc.) 100,00 Euro.“
Ziffer 3
„Für Art und Umfang der Betriebskosten ist die Anlage 3 zu § 27 Abs. 1 II. BV in der jeweils geltenden Fassung maßgebend.“
Die Klägerinnen haben im Wesentlichen die Zahlung rückständiger Miete i.H.v. 3.800 Euro verlangt. Dagegen haben die beklagten Mieter mit Vorauszahlungen auf Betriebskosten seit dem Jahre 2009 i.H.v. monatlich 100 Euro aufgerechnet. Sie sind der Auffassung, dass durch die vertraglichen Regelungen eine Verpflichtung zur Zahlung von Betriebskosten nicht entstanden sei.
In der Vorinstanz hatten die Mieter Recht bekommen. Das LG Kleve war der Auffassung, dass die im Mietvertrag getroffenen Vereinbarungen unwirksam seien, da der Verweis auf die II. BV auf eine nicht mehr geltende Vorschrift Bezug nehme.
Dem ist der BGH entgegengetreten und hat das Urteil des Landgerichts aufgehoben.
Richtig sei die Ansicht des Berufungsgerichtes, dass es für die Umlage der Betriebskosten einer wirksamen Vereinbarung bedürfe. Dafür reiche es jedoch im Regelfall aus, dass auf die Betriebskosten verwiesen werde, ohne dass die einzelnen Betriebskosten genannt werden müssten. Dass die II. BV bei Abschluss des Mietvertrages nicht mehr in Kraft gewesen sei, sei ohne Belang, da diese Vorschrift durch die inhaltsgleiche Betriebskostenverordnung ersetzt worden sei.
Es liege auch kein Verstoß gegen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen vor. Vielmehr könne die formularmäßige Vereinbarung dahingehend ausgelegt werden, dass die Mieter die Betriebskosten i.S.d. BetrKV zu tragen hätten. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass die am 01.11.1957 in Kraft getretene II. BV in § 27 die Definition zu Betriebskosten aufgenommen habe, die seit dem 01.01.2007 in § 556 Abs. 1 Satz 2 BGB übernommen worden sei. Danach handele es sich bei den Betriebskosten um Kosten, die dem Eigentümer durch das Eigentum oder durch den bestimmungsgemäßen Gebrauch des Gebäudes, der Nebengebäude, Anlagen, Einrichtungen und des Grundstücks laufend entstehen. Angesichts der Gesetzeslage, die den Begriff der Betriebskosten in der Wohnraummiete seit langem festgelegt habe, sei für den Mieter der verwendete Begriff im Mietvertrag über die Betriebskosten ohne weiteres so zu verstehen, wie es in § 556 Abs. 1 Satz 2 BGB geregelt sei. Anhaltspunkte für einen anderen Betriebskostenbegriff seien nicht ersichtlich. Der Hinweis auf Anlage 3 zu § 27 II. BV sei in Anbetracht der nahezu gleichlautenden Betriebskostenverordnung eine unschädliche Falschbezeichnung.
Es liege auch kein Verstoß gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB vor. Das Transparenzgebot schließe das Bestimmtheitsgebot ein und verlange, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen einer Klausel so genau beschrieben werden, dass für den Verwender keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstünden. Das Transparenzgebot regele hingegen nicht, dass die aus dem Gesetz bzw. der Rechtsnatur eines Vertrages folgenden Rechte der Vertragspartei ausdrücklich oder vollständig dargelegt würden oder den Vertragspartner darüber belehrten. Es gehe nur darum, die Gefahr von Fehlvorstellungen bei dem Kunden durch eine unklare oder mehrdeutige Klauselformulierung oder Gestaltung zu vermeiden. Da der Begriff der Betriebskosten seit langem gesetzlich definiert sei, bestehe eine solche Gefahr nicht. Eine andere Beurteilung käme allenfalls in Betracht, wenn durch Zusätze oder weitere Bestimmungen im Mietvertrag unklar werde, ob die Betriebskosten im Sinne sämtlicher umlegbarer Betriebskosten oder einzelner Betriebskostenarten gemeint seien. Anhaltspunkte für eine solche Situation seien aber nicht gegeben.
C. Kontext der Entscheidung
Die Anforderungen an eine Vereinbarung über die Tragung von Betriebskosten muss berücksichtigen, dass nach den §§ 535, 556 Abs. 1 BGB die Nebenkosten grundsätzlich vom Vermieter zu tragen sind. Zwar hat sich in der Praxis die Nettokaltmiete weitgehend durchgesetzt. Dennoch muss die Nebenkostenvereinbarung ausdrücklich getroffen werden und hinreichend bestimmt sein (Hinz in: Klein-Blenkers/Heinemann/Ring, Miete/WEG/Nachbarschaft, § 556 BGB Rn.7). Die schlichte Abrede über die Tragung von Nebenkosten oder Betriebskosten erfüllt diese Anforderungen nicht.
Umstritten ist jedoch, welche Anforderungen zu stellen sind, wenn der Mietvertrag lediglich auf Anlage 3 zu § 27 II. BV oder auf die Betriebskostenverordnung (BetrKV) verweist. Dies wird allgemein für ausreichend erachtet, wenn dem Mietvertrag der Katalog der Betriebskosten beigefügt wird (Heinrichs, NZM 2003, 6; Weitemeyer, NZM 2003, 423 m.w.N.). Für Neuverträge ab 01.01.2004 (Inkrafttreten der BetrKV) wird in der Literatur teilweise für ausreichend erachtet, dass der Vertrag auf § 556 Abs. 1 BGB verweist (Langenberg in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, § 556 BGB Rn. 43). Diese Auffassung ist schon deshalb abzulehnen, weil die Legaldefinition in § 556 Abs. 1 BGB für den Laien unverständlich ist. Dennoch hat der BGH diesen Verweis auch für einen solchen Fall ausreichen lassen, bei dem trotz Geltung der BetrKV schon bei Vertragsabschluss fehlerhaft auf die Anlage 3 zu § 27 II. BV verwiesen wurde. Sein Argument, der Normalmieter könne sich über den Begriff der Betriebskosten ausreichend Vorstellungen machen, trägt allerdings nicht. Das mag für Juristen gelten, die tagtäglich mit dem Mietrecht zu tun haben. Selbst Juristen, die mit Mietrecht oder Wohnungseigentum keine Berührung haben, kennen die umlegbaren Betriebskostenarten nicht. Es ist daher nicht nachvollziehbar, wie in Anbetracht dieser Situation einem juristisch nicht vorgebildeten, durchschnittlichen Wohnraummieter unterstellt werden kann, er könne sich über die Betriebskosten ein ausreichendes Bild machen, ohne dem Vertrag eine Auflistung der in Betracht kommenden Betriebskosten beizufügen.
Wegen der häufigen Änderungen der Verordnungen ändern sich auch die Betriebskostenarten bzw. werden neue hinzugefügt. Schon aus diesem Grund ist eine entsprechende Auflistung erforderlich und kann der Verweis auf eine nicht mehr geltende Verordnung nicht transparent i.S.d. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB sein. Zu Recht wird in der Literatur daher die Vereinbarung der Anlage 3 zu § 27 II. BV in einem nach dem 01.01.2004 abgeschlossenen Mietervertrag als unwirksam angesehen (Hinz in: Klein-Blenkers/Heinemann/Ring, Miete/WEG/Nachbarschaft, § 556 BGB Rn.7, Fußn.31).
D. Auswirkungen für die Praxis
Es steht zu befürchten, dass der BGH nicht nur die Anforderungen an die formelle Wirksamkeit herunterschraubt, sondern auch die weiteren Voraussetzungen für eine Betriebskostenumlage verwässert. Nach dieser Entscheidung reicht es für eine Umlage aller Betriebskosten aus, dass auf einen Gesetzestext verwiesen wird, mit dem ein Normalbürger ohne juristische Vorbildung nichts anfangen kann. Das widerspricht nicht nur dem gesetzlichen Anliegen, Transparenz in einen Vertrag zu bringen, sondern ist zudem geeignet, einen Streit zwischen den Vertragsparteien zu fördern. Daher sollte stärker bedacht werden, dass weniger Transparenz zu mehr Konfliktpotential führt. Nicht alles, was für den Vermieter auf den ersten Blick entlastend wirkt, ist tatsächlich hilfreich.