Nachfolgend ein Beitrag vom 6.9.2018 von Bueb, jurisPR-MietR 18/2018 Anm. 2
Leitsatz
Bei einem Antrag nach § 940 ZPO auf Räumung von gewerblich genutzten Räumen ist in der Regel ein Verfügungsgrund gegeben, wenn die in § 940a Abs. 2 ZPO genannten Voraussetzungen vorliegen, die den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen Dritte auf Räumung von Wohnraum ermöglichen.
A. Problemstellung
Grundsätzlich ist eine einstweilige Verfügung auf Räumung einer Gewerbemieteinheit nach § 940a ZPO nicht möglich, da diese Vorschrift nur im Wohnraummietrecht anwendbar ist. Im vorliegenden Fall stellte sich die Frage, ob die Ausnahmeregelung des § 940a Abs. 2 ZPO nicht doch auch bei einem Gewerbemietverhältnis greift.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Antragstellerin als Vermieterin vermietete mit Gewerbemietvertrag von 2014 an eine UG als Mieterin sechs Wohneinheiten, elf Gewerbeeinheiten und einen Stellplatz. Als Mietzweck wurde die Nutzung als Objekt zur gewerblichen Weitervermietung als möblierter Wohnraum und möbliertes Büro sowie Restaurantnutzung vereinbart. Das Mietverhältnis wurde auf zehn Jahre fest geschlossen. Die Mieterin nutzte die Einheiten zur Vermietung an Medizintouristen.
Mit Schreiben vom 16.10.2014, vom 27.11.2014, vom 19.12.2014 sowie schriftsätzlich im anschließenden Räumungsverfahren kündigte die Antragstellerin der Mieterin fristlos.
Das LG München I verurteilte die Mieterin mit Urteil vom 29.09.2016 (5 O 23897/14) zur Räumung und Herausgabe der an sie vermieteten Einheiten. Das Berufungsverfahren der Mieterin hiergegen hatte keinen Erfolg.
Die Vollstreckung aus den Räumungstiteln wurde jedoch am 15.09.2017 eingestellt, da bei einem Vollstreckungsversuch an diesem Tag die Antragsgegnerin in den Mieträumlichkeiten vorgefunden wurde. Die Vermieterin hatte dem mit der Besitzeinweisung beauftragten Gerichtsvollzieher den Gewerbemietvertrag vom 01.07.2017 zwischen der Mieterin und ihr vorgelegt. Im Hauptmietvertrag war eine Untervermietung erlaubt.
Die Vermieterin beantragte daraufhin im September 2017 den Erlass einer einstweiligen Verfügung, mit der die Antragsgegnerin zur Räumung und Herausgabe der Mieteinheiten verpflichtet werden sollte. Das LG München I hatte den Antrag zurückgewiesen. Es fehle an einem Verfügungsgrund, denn es seien weder eine Existenzgefährdung der Antragstellerin noch eine Gefährdung der Sachsubstanz vorgetragen. § 940a ZPO sei weder direkt noch analog anwendbar. Auch könne nicht die Wertung der Vorschrift übertragen werden, weil dies einer Analogie gleichkäme. Es fehle aber an einer Regelungslücke. Anhaltspunkte für ein vorsätzliches Verhalten im Hinblick auf die §§ 288, 27 StGB seien nicht vorgetragen.
Das OLG München hat auf die sofortige Beschwerde der Vermieterin den Abweisungsbeschluss aufgehoben und die einstweilige Verfügung auf Räumung und Herausgabe der gegenständlichen Gewerbeeinheiten gegen die Antragsgegnerin erlassen.
Die Antragstellerin habe Anspruch auf Erlass der beantragten einstweiligen Verfügung, soweit sie Räumung und Herausgabe der Einheiten verlange. Sie habe insoweit sowohl einen Verfügungsanspruch als auch einen Verfügungsgrund ausreichend glaubhaft gemacht.
Die besondere Dringlichkeit für den Erlass der begehrten Leistungsverfügung liege bei den glaubhaft gemachten Umständen aufgrund der gesetzlichen Wertung des § 940a Abs. 2 ZPO und einer Abwägung der beiderseitigen Interessen vor.
Die Vermieterin habe glaubhaft gemacht, dass sie gegen die Antragsgegnerin einen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der Einheiten habe. Zweck der einstweiligen Verfügung sei die vorübergehende Regelung eines streitigen Rechtsverhältnisses bis zur Entscheidung in der Hauptsache (vgl. Seiler in: Thomas/Putzo, ZPO, 38. Aufl., § 940 Rn. 1). Die einstweilige Verfügung gemäß § 940 ZPO unterliege den allgemeinen Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 935 ZPO. Wie jede einstweilige Verfügung setze die Befriedigungsverfügung einen Verfügungsanspruch voraus (Thümmel in: Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Aufl., § 940 Rn. 9). Der Antragsteller habe den zu sichernden gegenwärtigen oder zukünftigen Anspruch schlüssig darzulegen und glaubhaft zu machen (Drescher in: MünchKomm ZPO, 5. Aufl., § 940 Rn. 8; Vollkommer in: Zöller, ZPO, 32. Aufl., § 940 Rn. 3).
Auch bei der für den Erlass einer Leistungsverfügung strengen Prüfungsmaßstabes (vgl. Vollkommer in: Zöller, a.a.O., Rn. 6) liege ein Verfügungsanspruch vor. Die Antragstellerin habe gegen die Antragsgegnerin einen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der genannten Sondereigentumseinheiten. Der Anspruch der Klägerin beruhe auf § 546 Abs. 2 BGB und auf § 985 BGB.
Die Vermieterin habe den Mietvertrag mit der Hauptmieterin wirksam gekündigt. Dies habe sie durch Vorlage des Endurteils des OLG München vom 20.07.2017 (32 U 4337/16) glaubhaft gemacht. Sie könne gemäß § 546 Abs. 2 BGB die Mietsache auch von einem Dritten zurückfordern, wenn der Mieter den Gebrauch der Mietsache dem Dritten überlassen habe. Der Anspruch aus § 546 Abs. 2 BGB richte sich gerade auch gegen den Untermieter.
Daneben könne sie ihre Ansprüche auch auf die §§ 985, 1004 BGB stützen. Die Vermieterin ist unstreitig Eigentümerin der Einheiten. Die Antragsgegnerin könne gestützt auf ihren Untermietvertrag vom 01.07.2017 die Herausgabe nicht nach § 986 Abs. 1 BGB verweigern, da die Hauptmieterin, die UG, von welcher die Antragsgegnerin ihr Recht zum Besitz ableite, gegenüber der Vermieterin nicht mehr zum Besitz berechtigt sei.
Die Antragstellerin habe auch einen Verfügungsgrund glaubhaft gemacht. Der Erlass der einstweiligen Verfügung ist i.S.d. § 940 ZPO notwendig. Die einstweilige Verfügung erscheine nicht zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt nötig. Es lägen aber andere Gründe i.S.v. § 940 ZPO vor.
Die erforderliche besondere Dringlichkeit liege in der Regel nur vor, wenn der Nichterlass der einstweiligen Verfügung den Gläubiger in eine Notlage brächte oder wenn die Verweisung auf das Hauptsacheverfahren jedenfalls praktisch einer Rechtsverweigerung gleichkäme (Vollkommer in: Zöller, ZPO, 32. Aufl., § 940 Rn. 6). Der Antragsteller müsse auf die sofortige Erfüllung so dringend angewiesen sein, dass er ein ordentliches Verfahren nicht abwarten könne, ohne unverhältnismäßig großen oder sogar irreparablen Schaden zu erleiden (Seiler in: Thomas/Putzo, ZPO, 38. Aufl., § 940 Rn. 6).
Darüber hinaus sei auch bei einem Antrag nach § 940 ZPO auf Räumung von gewerblich genutzten Räumen in der Regel ein Verfügungsgrund gegeben, wenn die in § 940a Abs. 2 ZPO genannten Voraussetzungen vorliegen, die den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen Dritte auf Räumung von Wohnraum ermöglichten. Bei der vom Gericht vorzunehmenden Abwägung der beiderseitigen schutzwürdigen Interessen sei diese gesetzliche Wertung von besonderem Gewicht. Zu berücksichtigen sei bei der Abwägung auch der im Gesetz zum Ausdruck kommende Vorrang des Vollstreckungsinteresses sowie die Wertung des Gesetzes in § 543 Abs. 1 BGB, nach der in bestimmten Fällen das Festhalten an dem Mietverhältnis für den Vermieter unzumutbar sei.
Zutreffend sei die Auffassung des Landgerichts, dass § 940a ZPO keine direkte oder analoge Anwendung auf einen auf die Herausgabe gewerblich genutzter Räume gerichteten Antrag finde (Fleindl, ZMR 2014, 938; OLG Celle, Beschl. v. 24.11.2014 – 2 W 237/14 – NJW 2015, 711; KG, Beschl. v. 05.09.2013 – 8 W 64/13 – NJW 2013, 3588). Eine direkte Anwendung scheide sowohl nach dem Wortlaut der Vorschrift, die nur die Räumung von Wohnraum betreffe, als auch aus historischen und systematischen Gründen aus.
Jedenfalls mit der Neuregelung nur für Wohnraum in § 940a ZPO haben für gewerbliche Mietverhältnisse wieder die allgemeinen Regeln gegolten. Und nach allgemeinen Regeln könne bzw. habe eine Leistungsverfügung auch auf die Herausgabe von Sachen (Vollkommer in: Zöller, ZPO, 32. Aufl., § 940 Rn. 8) und damit auch auf die Herausgabe von gewerblich genutzten Räumen gerichtet sein können.
Weitere Ausnahmen von dem Verbot der Räumung von Wohnraum im Wege einstweiliger Verfügung wurden 2013 für die Fälle der dem Vermieter zunächst nicht bekannten Überlassung des Wohnraums an Dritte in § 940a Abs. 2 ZPO und der Nichtbefolgung der Sicherungsanordnung in § 940a Abs. 3 ZPO geschaffen. Wie die in § 940a Abs. 1 ZPO enthaltenen Ausnahmen für Fälle der verbotenen Eigenmacht oder konkreter Gefahr für Leib oder Leben enthalten die Abs. 2 und 3 des § 940a ZPO jeweils einen besonders typisierten Verfügungsgrund (Streyl in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 13. Aufl., § 940a ZPO Rn. 20, 33). Die Regelungen in § 940a Abs. 2 und 3 ZPO betreffen aber nur die Räumung von Wohnraum.
Für eine analoge Anwendung bei einem gewerblichen Mietvertrag des § 940a Abs. 2 fehle es an einer Regelungslücke. Das Verbot der Räumung von Wohnraum im Wege einstweiliger Verfügung in § 940a ZPO stelle eine Einschränkung des § 940 ZPO dar, von dem in den Abs. 1 bis 3 wieder Ausnahmen gemacht werden. Da die Räumung von gewerblich genutzten Räumen im Wege einstweiliger Verfügung schon nicht vom Gesetz ausgeschlossen werde, bedürfe es keiner Ausnahmeregelung. § 940a Abs. 2 ZPO könne deswegen als Regelung einer Ausnahme von einer Einschränkung auf eine Herausgabeverfügung nach § 940 ZPO auch nicht analog angewandt werden (Drescher in: MünchKomm ZPO, 5. Aufl., § 940a Rn. 9).
Bei der Berücksichtigung gesetzgeberischer Wertung sei aber nicht auf den § 940 ZPO allein abzustellen. Vielmehr könne eine solche Wertung auch dem § 940a ZPO entnommen werden. Dafür sprächen auch systematische Gründe. Eine Herausgabeverfügung sei nach § 940 ZPO möglich. § 940a Abs. 1 ZPO mache davon eine Ausnahme für Wohnraum. Die Abs. 1 bis 3 des § 940a ZPO enthielten Ausnahmen von der Ausnahme, bei deren Vorliegen eine Herausgabeverfügung wieder möglich sei. Als Ausnahme von dem den Mieterschutz bezweckenden Verbot der Räumungsverfügung seien die darin enthaltenen typisierten Verfügungsgründe eng gefasst. Wenn die (Unter-)Ausnahme greife, gälten aber nicht nur die allgemeinen Regeln, nach denen eine Räumungsverfügung möglich sei. Zugleich liege schon ein typisierter Verfügungsgrund vor, der eine weitere Prüfung des Vorliegens eines Verfügungsgrundes nach allgemeinen Regeln überflüssig mache. Es werde also nicht nur die Möglichkeit des Erlasses einer Räumungsverfügung nach allgemeinen Regeln eröffnet, sondern es würden zugleich die Voraussetzungen für den Erlass erleichtert.
Diese Wertung des Gesetzgebers, dass in den in § 940a Abs. 1 bis 3 ZPO genannten Fällen die Räumung von Wohnraum ausnahmsweise ermögliche und zugleich gegenüber § 940 ZPO erleichtert werde, sei für die Beurteilung, welche anderen Gründe i.S.v. § 940 ZPO in Betracht kommen, wesentlich. Wenn der Gesetzgeber schon die Räumung von Wohnraum im Wege einstweiliger Verfügung, die grundsätzlich ausgeschlossen sei, in diesen Fällen erleichtert zulasse, könnten diese typisierten Verfügungsgründe erst recht andere Gründe i.S.v. § 940 ZPO darstellen, wenn die Räumung von gewerblich genutzten Räumen durch einstweilige Verfügung verlangt werde, die grundsätzlich gesetzlich zulässig sei (Fleindl, ZMR 2014, 938; LG Hamburg, Urt. v. 27.06.2013 – 334 O 104/13 – NJW 2013, 3666; Klüver, ZMR 2015, 10). Weder im Wortlaut noch in der Gesetzesbegründung werde auf die Räumung von gewerblich genutzten Räumen im Wege einstweiliger Verfügung Bezug genommen. Erst Recht finde sich kein Anhaltspunkt für den Willen des Gesetzgebers, dass in den in § 940a Abs. 1 bis 3 ZPO genannten Ausnahmefällen eine Räumung von Geschäftsräumen ausgeschlossen sein soll.
Bei der Abwägung der schutzwürdigen Interessen beider Seiten überwiege hier jedoch das Interesse der Antragstellerin. Eine Abwägung sei erforderlich, denn bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 940a Abs. 2 ZPO sei ein Verfügungsgrund für eine Leistungsverfügung nur in der Regel, aber nicht zwingend gegeben (LG Krefeld, Beschl. v. 08.03.2016 – 2 S 60/15 – ZMR 2016, 448).
Auf der Seite der Antragstellerin sei zu berücksichtigen, dass sie einen (vorläufig) vollstreckbaren Titel auf Räumung und Herausgabe der von ihr als Eigentümerin vermieteten Einheiten gegen ihre Mieterin erlangt habe. Eine Erweiterung der Klage auf die Antragsgegnerin sei ihr nicht möglich gewesen, da sie bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung von der Untervermietung keine Kenntnis erlangt hatte. Sie hatte damit keine einfachere Möglichkeit zu ihrem Rechtsschutzziel zu gelangen. Die besondere Dringlichkeit folge aus der gesetzlichen Wertung, die der Vollstreckung aus einem Titel schon per se eine Dringlichkeit und einen Vorrang vor anderen Interessen zuweise. Denn die Einstellung der Zwangsvollstreckung stelle nach der gesetzlichen Systematik die Ausnahme dar. Für eine besondere Dringlichkeit spreche auch die Wertung des § 543 BGB. Die Antragstellerin habe das Vorliegen eines wichtigen Grundes für die Beendigung des Hauptmietverhältnisses durch Vorlage des Endurteils des OLG München vom 20.07.2017 glaubhaft gemacht. Der Gesetzgeber habe die Möglichkeit der fristlosen Kündigung nur für den Fall eröffnet, dass das Festhalten der kündigenden Vertragspartei an dem Mietvertrag bis zur ordentlichen Beendigung unzumutbar sei. Genau dieser Fall könnte aber eintreten, wenn der Vermieter nicht aus einem auf Grundlage einer außerordentlichen Kündigung erstrittenen Räumungsurteils vollstrecken könnte, weil der Mieter, ohne dies rechtzeitig dem Vermieter mitzuteilen, das Mietobjekt an Dritte untervermiete und der Vermieter einen weiteren Titel in einem Hauptsacheverfahren erstreiten müsse.
Auf Seiten der Antragsgegnerin sei zu berücksichtigen gewesen, dass sich der vollstreckbare Titel nicht gegen sie richte und sie im Verhältnis zu der Hauptmieterin zum Besitz berechtigt sei.
Die Interessen der Antragsgegnerin stehen jedoch hinter den Interessen der Antragstellerin zurück. Zum Zeitpunkt der Anmietung durch die Antragsgegnerin habe nicht nur bereits ein Urteil auf Räumung durch das Landgericht vorgelegen, sondern auch Hinweise des Oberlandesgerichtes, aus denen sich ergeben habe, dass die Berufung der Hauptmieterin keinen Erfolg haben werde. Dies sei der Vermieterin durch eine Präambel im Untermietvertrag bekannt gewesen. Sie habe also bereits zum Zeitpunkt der Anmietung und Besitzübergabe damit rechnen müssen, dass sie nach § 546 Abs. 2 BGB der Antragstellerin zur Herausgabe verpflichtet sein würde. Sie habe auch damit rechnen müssen, dass die Antragstellerin aus einem vollstreckbaren Urteil versuchen würde, zu vollstrecken, denn die Antragstellerin hatte bereits die nach dem Endurteil vom 30.06.2016 geforderte Sicherheitsleistung erbracht.
C. Kontext der Entscheidung
Sowohl im Gewerberaummietrecht, wie auch im Wohnraummietrecht versuchen Mieter oft eine drohende Räumung zu vereiteln. Am Tag der Zwangsräumung durch den Gerichtsvollzieher befinden sich plötzlich Personen im Objekt, die angeblich Besitzer sind. Um diesem Vorgehen Einhalt zu gebieten, schuf der Gesetzgeber für das Wohnraummietrecht die Möglichkeit, diese Personen durch einstweilige Verfügung aus der Wohnung räumen zu lassen (§ 940a Abs. 2 ZPO). Für das Gewerberaummietrecht gilt diese Vorschrift nach seinem Wortlaut jedoch nicht.
Vor der Einführung von § 940a Abs. 2 ZPO mit Wirkung ab dem 01.05.2013 ermöglichte die Regelung in den §§ 935, 940 ZPO grundsätzlich auch den Erlass einer Räumungsverfügung im gewerblichen Mietrecht. Allerdings wurde nur in Ausnahmefällen ein Verfügungsgrund angenommen. Eine Sicherungsverfügung nach § 935 ZPO scheiterte regelmäßig daran, dass die Nutzung des Mietobjekts nicht zu einer Änderung des bestehenden Zustandes führte und die Vereitelung oder wesentliche Erschwerung der Rechtsdurchsetzung nicht drohte (OLG Celle, Beschl. v. 26.07.2000 – 2 W 58/00 – NZM 2001, 194). Für die Regelungsverfügung nach § 940 ZPO fehlte es zumeist am Drohen wesentlicher Nachteile (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 26.02.2009 – I-10 W 14/09, 10 W 14/09 – NZM 2009, 818). Auch, dass im einstweiligen Verfügungsverfahren grundsätzlich keine Vorwegnahme der Hauptsache erfolgen darf, stand einer Verurteilung zur Räumung im Wege einer einstweiliger Verfügung entgegen.
Einstweilige Verfügungen zur Räumung von Wohnraum sind gemäß § 940a Abs. 1 ZPO nur in den dort genannten Ausnahmefällen zulässig: bei verbotener Eigenmacht oder bei einer konkreten Gefahr für Leib oder Leben.
Von dieser Regel hat der Gesetzgeber mit § 940a Abs. 2 ZPO eine Ausnahme zugelassen: Hat der Vermieter gegen die Mieter einen vollstreckbaren Titel erwirkt und erfährt er erst nach der mündlichen Verhandlung vom Besitz einer dritten Person, darf er gegen diese im Wege der einstweiligen Verfügung vorgehen. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll damit Missbrauch eingedämmt werden.
§ 940a Abs. 2 ZPO war seinem Wortlaut nach aber nur auf Wohnraum anwendbar. Eine entsprechende Anwendbarkeit von § 940a Abs. 2 ZPO auf Gewerberaummietverhältnisse wurde von den Gerichten bis zur gegenständlichen Entscheidung des OLG München verneint.
D. Auswirkungen für die Praxis
Bisher war es in der vorgenannten Konstellation nur möglich, den (neuen) Untermieter aus den Gewerberäumen zu bekommen, indem der Vollstreckungstitel auf diesen umgeschrieben wurde (§ 727 ZPO). Dies hatte das LG München I bei der Abweisung des Antrages auf einstweilige Räumungsverfügung auch vorgeschlagen. Die Umschreibung des Titels setzt aber voraus, dass der Besitzübergang bei Gericht durch offenkundig oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachgewiesen wird. Beides ist aber nur mit erheblichen Mühen zu erlangen.
Offenkundigkeit für das Gericht liegt nur vor, wenn der Besitzübergang für jedermann unmittelbar einsichtig ist oder deren Wahrheit dem Gericht bereits amtlich bekannt gemacht wurde. Jedermann müsste also wissen, dass sich die Besitzverhältnisse geändert haben, oder dem Gericht aus anderen Verfahren bereits bekannt geworden seien. Dies dürfte in der Praxis in den meisten Fällen nicht möglich sein.
Bleibt nur, das Besitzverhältnis durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachzuweisen. Die Umschreibung eines Räumungstitels benötigt daher regelmäßig einen fehlgeschlagenen Vollstreckungsversuch. Der Gerichtsvollzieher erstellt hierüber eine öffentliche Urkunde. Damit kann dann der Besitzübergang nachgewiesen und der Titel umgeschrieben werden. Dieser Weg kostet aber Zeit und Geld und ist nicht sehr praktikabel.
Das OLG München hat nun einen schnelleren Weg eröffnet: die einstweilige Verfügung. Damit diese aber erlassen wird, muss der Vermieter das Gericht davon überzeugen, dass der Mieter auch zukünftig zur Vermeidung der Räumung andere Personen in die Wohnung einquartiert.
Der Vermieter muss also Tatsachen vortragen, die in seinem Verfahren den Schluss zulassen, die Mieterin werde auch in Zukunft böswillig anderen Personen den Besitz überlassen, um die Räumung zu verhindern. Dies erfordert sorgfältige Begründung und Prüfung der vorliegenden Tatsachen.
Das OLG Dresden ist dem OLG München in dessen Entscheidung und Rechtsansicht bereits gefolgt (OLG Dresden, Urt. v. 29.11.2017 – 5 U 1337/17).
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