Nachfolgend ein Beitrag vom 25.2.2016 von Gies, jurisPR-MietR 4/2016 Anm. 3
Orientierungssatz zur Anmerkung

Setzt der Mieter trotz Abmahnung sein vertragswidriges Verhalten fort, ist eine darauf gestützte ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses durch den Vermieter begründet.

A. Problemstellung

Das LG Berlin hatte sich mit der Problematik zu befassen, ob die Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses durch den Vermieter begründet war, nachdem die Mieter trotz Abmahnungen die jeweilige Monatsmiete verspätet gezahlt hatte. Über zwei Instanzen haben es die auf Räumung und Herausgabe der Mietwohnung in Anspruch genommenen Mieter nicht für notwendig befunden, ihren bestrittenen Sachvortrag zu substantiieren oder aber eine Tilgungsbestimmung i.S.d. § 366 Abs. 1 BGB vorzunehmen.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Klägerin war Vermieterin, die Beklagten waren Mieter einer Wohnung in Berlin. Die tatbestandlichen Darlegungen des Berufungsgerichts enthalten keine Angaben, wann das Mietverhältnis begründet worden ist und welche Vereinbarungen über die Fälligkeit der monatlich zu zahlenden Miete getroffen worden sind. Beide Instanzen gehen aber ohne weitere Ausführungen von einer Anwendung des § 556b BGB aus.
Die Klägerin hat die Beklagten auf Räumung und Herausgabe der Mietwohnung in Anspruch genommen und zur Begründung auf ihre ordentliche Kündigung vom 06.12.2013 verwiesen, in der ausgeführt worden ist, trotz Abmahnungen vom 18.07.2013 und 12.08.2013 hätten die Beklagten ihr Zahlungsverhalten nicht geändert und auch für die Monate Juli bis November 2013 die Mieten erst zum Monatsende gezahlt. Unstreitig haben die Beklagten die Mieten für April, Mai und Juni 2013 erst zum Monatsende entrichtet, die Monatsmiete für Juni 2013 sogar noch später. Das Amtsgericht hatte der Klage stattgegeben.
Das LG Berlin hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
Die Beklagten hätten ihre Verpflichtung zur pünktlichen Mietzahlung trotz erfolgter Abmahnungen in erheblicher Weise verletzt. Der Kündigungsgrund ergebe sich aus § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Der – bestrittene – Sachvortrag der Beklagten, sie hätten die Miete für Januar 2013 bereits Ende Dezember 2012 gezahlt, sei unsubstantiiert geblieben. Eine Tilgungsbestimmung sei durch die Beklagten nicht vorgenommen worden. Die Einrede des nichterfüllten Vertrages, § 320 BGB, habe ihnen nicht zugestanden. Demgemäß könne offenbleiben, ob sich die Beklagten auch in einem kündigungsrelevanten Zahlungsverzug befunden hätten.
Mit Rücksicht auf die drei schulpflichtigen minderjährigen Kinder im Haushalt der Beklagten ist eine Räumungsfrist bewilligt worden, § 721 ZPO.
C. Kontext der Entscheidung
Der Entscheidung des LG Berlin ist in vollem Umfang zuzustimmen. Zu Recht hat das Landgericht als Anspruchsgrundlage § 546 Abs. 1 BGB herangezogen, nachdem das Mietverhältnis durch die ordentliche Kündigung der Vermieterin vom 06.12.2013 beendet worden war. Der Klägerin steht der Kündigungsgrund des § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB zur Seite. Aus den Ausführungen des Berufungsgerichts ergibt sich, dass die Beklagten für die Monate April bis Juni 2013 die Mieten verspätet gezahlt haben. Die Klägerin hatte dieses Verhalten zum Anlass genommen, zwei Abmahnungen auszubringen. Gleichwohl haben die Beklagten ihr vertragswidriges Verhalten fortgesetzt, indem sie die Mieten für Juli bis November 2013 jeweils verspätet gezahlt haben. Demgemäß ist nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht die Voraussetzungen für eine ordentliche Kündigung gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB für gegeben erachtet hat.
Überraschend ist, dass sich die Beklagten nicht auf eine von § 556b Abs. 1 BGB abweichende Regelung, etwa § 579 BGB, berufen haben. Stattdessen haben die Beklagten die Behauptung aufgestellt, sie hätten die Miete für Januar 2013 bereits im Dezember 2012 gezahlt. Die Klägerin hat diesen Sachvortrag unter Vorlage eines Kontoauszuges bestritten, so dass es nunmehr Aufgabe der Beklagten gewesen wäre, ihren Sachvortrag substantiiert zu untermauern. Wenn auch die Begleichung einer Mietschuld unter Vorlage einer Quittung ungewöhnlich ist, hätte es seitens der Beklagten doch der Beibringung eines Belegs für eine Abbuchung bedurft. Zudem hätte es nach dem Bestreiten der Klägerin nahegelegen, den konkreten Tag der Überweisung oder der sonstigen Übermittlung der Miete vorzutragen. Da dies – trotz anwaltlichen Beistandes zumindest im Berufungsverfahren – unterblieben ist, hat das Berufungsgericht den Sachvortrag der Beklagten zu Recht als substanzlos und damit prozessual unbeachtlich zurückgewiesen.
Die weitere Überraschung im Sachvortrag der Beklagten besteht darin, dass sie es nicht für nötig befunden haben, eine konkrete Leistungsbestimmung i.S.d. § 366 Abs. 1 BGB auszubringen. Dabei hätte diese Bestimmung auch stillschweigend erfolgen können (z.B. OLG Köln, Entscheidung v. 11.09.1968 – 9 W 53/68 – MDR 1969, 482). Ist der Schuldner zu laufenden Zahlungen wie regelmäßig in einem Mietverhältnis verpflichtet, kann nicht ohne weitere Umstände angenommen werden, dass er die zuletzt fällig gewordene Rate bezahlen will (Grüneberg in: Palandt, BGB, § 366 Rn. 7 m.w.N.). Möglich wäre für die Beklagten auch gewesen, nachträglich eine Tilgungsbestimmung vorzunehmen. Aber auch dieses ist unterblieben. Daher verbleibt es dabei, dass das Berufungsgericht zu Recht die Bestimmung des § 366 Abs. 2 BGB angewendet hat, was allerdings für die Beklagten keinen Vorteil bot, denn auch insoweit manifestiert sich ihr vertragswidriges Verhalten.
Auch nach den kärglichen tatbestandlichen Vorgaben kann angesichts der andauernden Pflichtverletzungen der Beklagten über ein komplettes Jahr hin von einem schuldhaften Verhalten ausgegangen werden. Die Klägerin als Vermieterin ist darlegungs- und ggf. beweispflichtig für die Pflichtverletzung der Mieter. Bei unterstellter Anwendung des § 556b BGB sind die andauernden Pflichtverletzungen der Beklagten unstreitig. Aus § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB ist der Schluss abzuleiten, dass die Mieter das fehlende Verschulden darlegen und eventuell beweisen müssen (vgl. Weidenkaff in: Palandt, BGB, § 573 Rn. 22). Insoweit fehlt jeder Sachvortrag der Beklagten, obwohl diese zumindest im Berufungsverfahren anwaltlich vertreten waren.
Auch die Ausführungen des Berufungsgerichts zu dem Vorbringen der Beklagten, ihnen stünde die Einrede des nichterfüllten Vertrages nach § 320 BGB zu, sind im Ergebnis zutreffend. Möglicherweise war seitens der Beklagten gemeint, ihnen stünde angesichts ihrer behaupteten Zahlung der Miete für Januar 2013 bereits im Dezember 2012 ein aufrechenbarer Gegenanspruch – etwa aus § 812 BGB – zu. Dem ist zunächst entgegenzuhalten, dass dieser unsubstantiierte Sachvortrag prozessual unbeachtlich war, und ferner ist darauf zu verweisen, dass zu keinem Zeitpunkt das Mietobjekt etwa mit einem Mangel behaftet war, der zu einer Minderung der Miete oder aber einem Zurückbehaltungsrecht hätte führen können.
D. Auswirkungen für die Praxis
Das Berufungsurteil betrifft naturgemäß einen Einzelfall, der dadurch gekennzeichnet ist, dass offenkundig anwaltlicher Rat auf Beklagtenseite nicht eingeholt worden ist; zumindest hat sich anwaltliche Beratung in den Schriftsätzen nicht bemerkbar gemacht. Dies ist umso erstaunlicher, als das Berufungsgericht bei der Bemessung der Räumungsfrist nach § 721 ZPO ausgeführt hat, im Haushalt der Beklagten befänden sich drei minderjährige schulpflichtige Kinder. Die Beklagten haben sich lediglich auf die Vorlage eines Berechtigungsscheins für bestimmte Wohnungen in Berlin berufen. Hier wäre Raum gewesen für einen Widerspruch der Mieter nach § 574 BGB, wobei offengeblieben ist, ob die formellen Voraussetzungen des § 574b BGB überhaupt eingehalten worden sind.
Der vorliegende Fall macht deutlich, welchen Wert anwaltliche Beratung nicht nur während eines Rechtsstreits, sondern bereits vorprozessual zukommt. Wenn seitens der Beklagten im Rechtsstreit nichts Sachgerechtes vorgetragen werden kann, sollten bereits im vorprozessualen Bereich die Erfolgsaussichten einer Rechtsverteidigung durch eine sachgerechte fundierte anwaltliche Beratung geprüft werden. Den Beklagten wäre zu wünschen, dass sie sich beim nächsten Rechtsstreit an diese Vorgaben halten.