BGH, Urteil vom 13. Mai 2015 – XII ZR 65/14 –, juris
Leitsätze
1. Verhindert der Mieter – etwa indem er Erhaltungsmaßnahmen pflichtwidrig nicht duldet oder ihre Duldung von ungerechtfertigten Forderungen abhängig macht – unberechtigt die Mangelbeseitigung durch den Vermieter, folgt aus den Grundsätzen von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB, dass er sich ab dem Zeitpunkt nicht mehr auf die Minderung berufen kann, ab dem die Mangelbeseitigung ohne sein verhinderndes Verhalten nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge voraussichtlich abgeschlossen gewesen wäre und der Vermieter wieder die ungeminderte Miete hätte verlangen dürfen.
2. Bei der infolge einer Erhaltungsmaßnahme erlittenen Umsatzeinbuße handelt es sich nicht um eine Aufwendung im Sinn von § 555a Abs. 3 BGB.
3. Der Vermieter haftet für Schäden des Mieters aufgrund einer Erhaltungsmaßnahme (hier: Umsatzausfall) nicht allein deshalb, weil er die Maßnahme veranlasst hat.
4. Ein Mietrückstand von über einer Monatsmiete ist bei gewerblichen Mietverhältnissen erheblich i.S.d. § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 lit. a Alt. 2 BGB (im Anschluss an Senatsurt. v. 23.07.2008 – XII ZR 134/06 – NJW 2008, 3210).
5. Bei Mietverhältnissen, die nicht Wohnraum betreffen, kann ein Rückstand von einer Monatsmiete oder weniger auch – und nur dann – erheblich i.S.d. § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 lit. a Alt. 2 BGB sein, wenn besondere Einzelfallumstände hinzutreten. Als solche kommen in der Gewerberaummiete neben der Kreditwürdigkeit des Mieters insbesondere die finanzielle Situation des Vermieters und die Auswirkungen des konkreten Zahlungsrückstands auf diese in Betracht.
Nachfolgend veröffentliche ich einen Beitrag von
- A. Problemstellung
- Im Rahmen von Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen kommt es immer wieder zu Auseinandersetzungen über die Frage, welche Aufwendungen und Verdienstausfälle der Vermieter dem Mieter erstatten muss. Der Mieter meint dann, den Vermieter oder beauftragte Handwerker zur Durchführung der Arbeiten nicht in die Wohnung lassen zu müssen (z.B. aktuell BGH, Urt. v. 15.04.2015 – VIII ZR 281/13, m. Anm. Börstinghaus, jurisPR-BGHZivilR 12/2015 Anm. 3).Der BGH hat sich in der vorliegenden Entscheidung mit den Risiken eines solchen Verhaltens und der Frage beschäftigt, welche Ansprüche der Mieter im Rahmen des Aufwendungsersatzanspruchs geltend machen kann.
- B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
- Der Vermieter hatte den Beklagten zu 2) im Jahre 2003 für zehn Jahre mit Verlängerungsoption bis 2018 Räume zum Betrieb eines Restaurants zu einer monatlichen Miete von ca. 19.500 Euro vermietet. Die Mieter vermieteten das Objekt an die Beklagte zu 3) unter, deren geschäftsführender Alleingesellschafter der Beklagte zu 1) ist.An dem Mietobjekt traten Mängel auf, wegen derer die Mieter ab Juli 2011 die Miete minderten. Mit Schreiben vom 22.01.2013 kündigte der Vermieter gegenüber den Mietern die Mangelbeseitigung an und bat um Bestätigung. Diese verweigerten die Mieter jedoch und erklärten, das Mietobjekt für die Sanierungsmaßnahmen nur zur Verfügung zu stellen, wenn vorab die für eine sechswöchige Schließung des Restaurants zu erwartenden „Umsatzausfälle sprich Fixkosten, Gewinnverluste etc. pp. … geprüft und finanziert bzw. geregelt“ seien. Eine solche Regelung unterblieb ebenso wie eine Mangelbeseitigung.Die Mieter bezahlten ab März 2013 jeweils nur eine um 7.799,55 Euro geminderte Miete. Am 04.07.2013 erklärte der Vermieter die fristlose Kündigung, weil sich die Mieter seiner Meinung nach zu diesem Zeitpunkt mit mehr als zwei Monatsmieten im Verzug befanden. Die Mieter beriefen sich auf ein Zurückbehaltungsrecht.Der BGH hat die Räumungsurteile der Vorinstanzen aufgehoben und die Sache an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.I. Ausschluss der Minderung wegen Verhinderung der MangelbeseitigungDie Minderung tritt in der Gewerbe- genauso wie in der Wohnraummiete nach § 536 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB automatisch bei Vorliegen einer nicht unerheblichen Gebrauchsbeeinträchtigung ein. Dies gilt nur dann nicht, wenn ein Ausschlussgrund vorliegt. Das sind folgende Fälle:1. Unerheblichkeit des Mangels;2. Kenntnis des Mieters bei Vertragsschluss vom Mangel, § 536b Satz 1 BGB;3. grobfahrlässige Unkenntnis vom Mangel bei Vertragsschluss ohne arglistiges Verhalten des Vermieters, § 536b Satz 2 BGB;4. vorbehaltlose Annahme der Mietsache, § 536b Satz 3 BGB;5. fehlende Mangelanzeige, § 536c Abs. 1 BGB;6. Mangel vom Mieter zu vertreten, § 326 Abs. 2 BGB.Verhindert der Mieter unberechtigt die Mangelbeseitigung durch den Vermieter, folgte bisher schon nach einhelliger Meinung daraus nach Treu und Glauben gemäß § 242 BGB, dass der Mieter grundsätzlich wieder die ungeminderte Miete zu entrichten hat (BGH, Urt. v. 12.05.2010 – VIII ZR 96/09 – NJW 2010, 3015; Eisenschmid in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 11. Aufl., § 536 BGB Rn. 628). Eine solche treuwidrige Verhinderung der Mangelbeseitigung durch den Mieter ist etwa dann anzunehmen, wenn er Arbeiten nicht zulässt, obwohl er aus § 555a Abs. 1 BGB Erhaltungsmaßnahmen dulden muss. Das Gleiche gilt, wenn er seine Duldung der Arbeiten von ungerechtfertigten Forderungen abhängig macht. Anderenfalls hätte es der Mieter in der Hand, durch eigenes Handeln oder Unterlassen zu bestimmen, wie lange er mindern kann. Der Vermieter ist deshalb so zu stellen, als ob er die Mangelbeseitigung durchgeführt hätte. Der Mieter kann sich deshalb ab dem Zeitpunkt nicht mehr auf die Minderung berufen, ab dem die Mangelbeseitigung ohne sein verhinderndes Verhalten nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge voraussichtlich abgeschlossen gewesen wäre und der Vermieter wieder die ungeminderte Miete hätte verlangen dürfen. Da das Oberlandesgericht diesen Termin nicht festgestellt hatte, er aber erheblich war, hat der Senat die Sache zurückverwiesen.II. Umfang der Aufwendungsersatzansprüche des MietersDie Weigerung zur Duldung der Maßnahmen wäre nur dann nicht unberechtigt gewesen, wenn dem Mieter ein Zurückbehaltungsrecht zugestanden hätte. Das wäre allenfalls dann in Betracht gekommen, wenn der Mieter einen Anspruch auf Zusage der Erstattung des Verdienstausfalls gehabt hätte. Dann müsste ein möglicher Verdienstausfall zum Aufwendungsersatzanspruch gehören.Bei der infolge einer Erhaltungsmaßnahme erlittenen Umsatzeinbuße handelt es sich nach einhelliger Meinung, der sich der BGH vorliegend ausdrücklich angeschlossen hat, nicht um Aufwendungen i.S.d. § 555a Abs. 3 BGB. Unter einer „Aufwendung“ ist die freiwillige Aufopferung von Vermögenswerten für die Interessen eines anderen zu verstehen (BGH, Urt. v. 26.04.1989 – IVb ZR 42/88). Erforderlich ist aber immer eine „Leistung“. Daran fehlt es aber bei einer Umsatzeinbuße. Nur bei Vorliegen der entsprechenden Tatbestandsvoraussetzungen kann der Mieter zusätzlich Schadensersatz nach § 536a BGB verlangen. Diese Voraussetzungen liegen hier aber nicht vor, da es sich weder um einen anfänglichen Mangel handelt noch der Vermieter den Mangel zu vertreten hatte. Anders als ein Teil der Literatur meint, reicht nach Ansicht des BGH allein nicht aus, dass der Vermieter die Maßnahme veranlasst hat. Andernfalls wäre der Aufwendungsersatzanspruch gem. § 555a Abs. 3 BGB überflüssig. Im Übrigen erscheint es dem Senat auch sachgerecht, durch Erhaltungsmaßnahmen verursachte Einnahmeeinbußen dem Mieter aufzuerlegen, wenn den Vermieter weder am Auftreten des Mietmangels noch an Umfang und Dauer der Mangelbeseitigung ein Verschulden trifft. Seinen Interessen wird durch die in § 555a Abs. 2 BGB geregelte Pflicht des Vermieters Rechnung getragen, die Erhaltungsmaßnahme rechtzeitig anzukündigen, so dass sich der Mieter nach Möglichkeit darauf einstellen kann. Gerade bei der Gewerberaummiete kann die besondere Rücksichtnahmepflicht des Vermieters bei nicht dringlichen Maßnahmen eine zeitliche Abstimmung mit dem Mieter gebieten, die etwa auf saisonale Besonderheiten Bedacht nimmt und dem Mieter ermöglicht, seinen Gewinnausfall möglichst gering zu halten.III. Vorliegen eines KündigungsgrundesDamit dem Vermieter ein Kündigungsrecht gem. § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB zugestanden hätte, hätte der Mieter entweder für zwei aufeinander folgende Termine mit der Entrichtung eines nicht unerheblichen Teils der Miete oder über einen längeren Zeitraum mit Mieten in Höhe von zwei Monatsmieten in Verzug sein müssen. Der erste Fall lag nicht vor, und den zweiten Fall konnte der BGH wegen fehlender Feststellungen des Oberlandesgerichts zum fiktiven Fertigstellungstermin der Arbeiten nicht zweifelsfrei bejahen. Mangels tatrichterlicher Feststellung, wie lange die Mangelbeseitigung gedauert hätte, steht bereits nicht fest, ab wann sich die Mieter nicht mehr auf die Minderung berufen konnten, so dass zumindest fraglich ist, ob sie sich im Kündigungszeitpunkt bereits für zwei aufeinander folgende Termine mit der Miete teilweise im Verzug befanden.Der nicht unerhebliche Rückstand gem. § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 lit. a BGB muss bei monatlicher Zahlweise der Miete aus zwei aufeinander folgenden Monatsmieten resultieren; es genügt nicht, dass sich der Rückstand aus Einzelbeträgen zusammensetzt, die für einen Zeitraum von mehr als zwei aufeinander folgenden Terminen angefallen sind (BGH, Urt. v. 23.07.2008 – XII ZR 134/06; BGH, Urt. v. 15.04.1987 – VIII ZR 126/86). Ein Rückstand von 80% einer Bruttomonatsmiete reicht nicht aus.Wann von einem nicht unerheblichen Teil der Miete auszugehen ist, ist ausdrücklich nur für Wohnraummietverhältnisse in § 569 Abs. 3 Nr. 1 BGB geregelt. Danach ist der rückständige Teil der Miete nur dann als nicht unerheblich anzusehen, wenn er die Miete für einen Monat übersteigt. Da es sich hierbei um eine Schutzvorschrift zugunsten des Wohnraummieters handelt, ist nach einhelliger Auffassung ein Mietrückstand von über einer Monatsmiete bei gewerblichen Mietverhältnissen erst recht erheblich (BGH, Urt. v. 23.07.2008 – XII ZR 134/06). Nach Auffassung des XII. Zivilsenats kann bei Gewerberaummietverhältnissen ein Rückstand von einer Monatsmiete oder weniger auch – und nur dann – erheblich sein, wenn besondere Einzelfallumstände hinzutreten. Das entnimmt der Senat einer Wertung des § 569 Abs. 3 Nr. 3 BGB. Besondere Umstände können z.B. neben der Kreditwürdigkeit des Mieters insbesondere die finanzielle Situation des Vermieters und die Auswirkungen des konkreten Zahlungsrückstands auf diese Situation sein.
- C. Kontext der Entscheidung
- Damit hat sich der Senat in allen Fragen der herrschenden Auffassung angeschlossen. Dass die Miete sich nicht weiter mindern kann, wenn der Mieter die Mangelbeseitigung verhindert, ist ebenso nachvollziehbar und überzeugend wie ein Minderungsausschluss bei schuldhafter Mangelverursachung durch den Mieter. Etwas anderes kann hier allenfalls bei leichter Fahrlässigkeit und dem Bestehen einer Gebäudeversicherung, die der Mieter anteilig über die Betriebskostenabrechnung zahlt, gelten (BGH, Urt. v. 19.11.2014 – VIII ZR 191/13).Dass der Verdienstausfall nicht zum Aufwendungsersatzanspruch gehört, ist jetzt abschließend und höchstrichterlich geklärt. Dass auch Schadensersatzsprüche diesbezüglich ausscheiden, wenn es sich nicht um einen anfänglichen Mangel handelt oder der Vermieter den Mangel zu vertreten hat, ist systematisch richtig. Anderenfalls wäre die Garantiehaftung des § 536a Abs. 1 Var. 1 BGB ebenso überflüssig wie der Aufwendungsersatzanspruch nach § 555 Abs. 3 BGB. Ein Verschulden des Vermieters kann aber einem Reparaturstau und unterlassenen Wartungsarbeiten durchaus vorkommen.Dass der kündigungsrelevante Rückstand bei der 1. Variante des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB in zwei aufeinander folgenden Monaten entstanden sein muss, hat der Senat bereits in der Vergangenheit so gesehen. Dass auch bei einem Rückstand von weniger als einer Monatsmiete die Kündigung in der Gewerberaummiete möglich ist, wird in Zukunft wahrscheinlich immer wieder zu Streit und auch unterschiedlichen Entscheidungen führen. Vermieter werden dies regelmäßig anders sehen als Mieter, insbesondere bei absolut sehr hohen Mieten.
- D. Auswirkungen für die Praxis
- In der Praxis werden Mieter es sich sehr gut überlegen müssen, ob sie eine Erhaltungsmaßnahme verhindern, um vorher vermeintliche Ansprüche zu klären. Der sicherere Weg dürfte sein, die Miete unter Vorbehalt zu zahlen und sich seine Ansprüche vorzubehalten. Dann kann, wenn genau feststeht, in welchem Zeitraum welche Beeinträchtigungen vorlagen, die Überzahlung der Miete aufgrund der ja automatisch eingetretenen Minderung geltend gemacht werden. Das Gleiche gilt für Aufwendungs- und Schadensersatzansprüche. Bei Letzteren wird der Mieter sehr genau ermitteln und vortragen müssen, was die Ursachen der Arbeiten sind, also ob ein latent vorhandener anfänglicher Mangel sich realisiert hat oder ob der Vermieter seinen Überwachungs- und Wartungspflichten in der Vergangenheit ausreichend nachgekommen ist. Wären die Arbeiten nicht oder nicht in diesem Umfang erforderlich gewesen, liegt ein Verschulden auf Vermieterseite vor.Vermieter werden bei einer Verweigerung der Mangelbeseitigung vorher mittels der zu beauftragenden Handwerker einen fiktiven Bauablaufplan erstellen müssen, um nachzuweisen, welche Beeinträchtigungen ohne und welche aufgrund der verhinderten Mangelbeseitigung in welchem Zeitraum entstanden wären.