OLG Frankfurt, Beschluss vom 04. Februar 2016 – 2 W 10/16 –, Rn. 21, juris

Aus den Gründen

Auch wenn unmittelbare vertragliche Beziehungen zwischen den Parteien nicht bestehen, sondern ein Mietvertrag über das streitgegenständliche Rennbahngelände zwischen der Antragsgegnerin und der B … (im Folgenden kurz: B) einerseits abgeschlossen worden war und ein als Geschäftsbesorgungsvertrag überschriebener Vertrag zwischen der B und dem Antragsteller andererseits, macht der Antragsteller geltend, Besitz am aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Gelände zu haben, in den Schutzbereich des Mietvertrages, der der B die Verpflichtung zur Veranstaltung von mindestens fünf Renntagen auferlegt, zu deren Austragung sich der Antragsteller gegenüber der B in vorbezeichnetem Geschäftsbesorgungsvertrag verpflichtet hat, einbezogen zu sein, und ferner, entgegen der Beurteilung der Mietvertragsparteien beständen beide Verträge ungekündigt fort. Damit erhebt der Antragsteller, dem nach dem Geschäftsbesorgungsvertrag der für seine Vereinszwecke erforderliche Büroraum auf der Galopprennbahn permanent unentgeltlich zur Verfügung zu stellen ist, in der Sache auch Einreden aus dem Mietvertrag, nämlich dessen Fortbestands. Dies ist für die Begründung der Zuständigkeit des angerufenen Senats grundsätzlich ausreichend. Die sofortige Beschwerde ist im Weiteren zulässig, denn sie ist bereits am 3. Tag nach Erlass und damit jedenfalls binnen der zweiwöchigen Notfrist nach Zustellung der angefochtenen Entscheidung eingelegt worden (§ 569 Abs. 1 Satz 1, 2 ZPO). Die sofortige Beschwerde, über die der originäre Einzelrichter zu befinden hat (§ 568 Satz 1 ZPO), nachdem die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter erlassen worden ist, ist auch überwiegend begründet, weil aus Sicht des Beschwerdegerichts das Landgericht den Erlass einer einstweiligen Verfügung zu Unrecht abgelehnt hat.

Zugunsten des Antragstellers sind im Wege der einstweiligen Verfügung – wegen Dringlichkeit ohne mündliche Verhandlung (§§ 128 Abs. 2, 937 Abs. 2 ZPO) und ohne Anhörung der Antragsgegnerin – die aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Anordnungen zu treffen. Insoweit begehrt der Antragsteller zulässigerweise den Erlass einer einstweiligen Verfügung, wobei Antragserweiterungen zulässig sind, solange, wie hier, der Bezug zum Ausgangsantrag erhalten bleibt (vgl.Zöller/Heßler, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 571, Rn. 3), wie unschädlich ist, dass das Landgericht über die Antragserweiterung gemäß Schriftsatz vom 1.02.2016 nicht im Wege der Abhilfe entscheiden konnte, weil die ordnungsgemäße Durchführung des Abhilfeverfahrens nicht Verfahrensvoraussetzung für das Beschwerdeverfahren ist (vgl. Zöller/Heßler, aaO., § 572, Rn. 4). Es kann offen bleiben, ob das Rechtschutzziel des Antragstellers vorliegend als Sicherungs- (§ 935 ZPO) oder Regelungsverfügung (§ 940 ZPO) einzuordnen ist. Der Antragsteller hat Verfügungsanspruch und -grund glaubhaft gemacht (§§ 936, 920 Abs. 2 ZPO). Er hat durch Vorlage eines Hinweises des Liegenschaftsamtes der Antragsgegnerin in Kopie (Bl. 16 d. A.), den nach seinem glaubhaft gemachten Vorbringen, wegen diesbezüglicher Einzelheiten wird insbesondere auf die eidesstattliche Erklärung des Vorstandsmitglieds C des Antragstellers vom 01.02.2016 (Anlage zum am 3.02.2016 eingegangenen Schriftsatz vom 1.02.2016) Bezug genommen, die Antragsgegnerin am 6.01.2016 auf dem Rennbahngelände hat verteilen lassen, glaubhaft gemacht, dass „im Zuge des Rückbaus der Tribüne im Laufe dieses Monats die Versorgungsleitungen für sämtliche Gebäude auf unserem Grundstück mit Ausnahme der für den Golfbetrieb erforderlichen Anschlüsse vom städtischen Netz abgetrennt“ werden sollen und hiervon die „Wasser- und die Stromversorgung“ betroffen sei. Außerdem ist durch Vorlage einer Meldung der (Zeitung) vom 2.02.2016 glaubhaft gemacht, dass nach Angaben des Managers der deutschen Fußballnationalmannschaft die Vorbereitungen für den Bau der DFB-Akademie angelaufen seien und der erste Bagger jetzt rolle, um die „Rennbahn platt zu machen“. Insoweit kann dahinstehen, ob den Ausführungen des Antragstellers zur Unwirksamkeit der Aufhebung des Mietvertrages durch notariell beurkundete Vereinbarung der Vertragsparteien vom 5. August 2014 (Anl. K 3, Bl. 124 ff d. A.) und der Kündigung des Geschäftsbesorgungsvertrages (Anl. K 2, Bl. 110 ff d. A.) zu folgen sein könnte.

Denn aufgrund des Hinweises der Antragsgegnerin droht dem Antragsteller von deren Seite erstmals eine konkrete Beeinträchtigung des Besitzes an dem Rennbahngelände, nämlich Rückbau, was in der Sache Beseitigung, also auch Abriss bedeuten kann, wie die Abtrennung des Geländes vom Versorgungsnetz für Wasser und Strom, was ihn berechtigt, die Antragsgegnerin sogleich auf Unterlassung der hiernach zu befürchtenden, aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Maßnahmen in Anspruch zu nehmen (§ 862 Abs. 1 Satz 2 BGB, vgl. Palandt/Bassenge, BGB, 75. Aufl. 2016, § 862, Anm. 9, 1004, Anm. 32). Entgegen der Ansicht des Landgerichts ist der Antragsteller Besitzer des Rennbahngeländes, soweit es nicht in Teilen anderen Nutzern (Golfplatzbetreiber) überlassen ist, insbesondere der Tribüne nebst der gesamten Rennbahn mit Sandbahn, Innenbahn und Außenbahn (Geläuf) auf dem Rennbahngelände. Besitz wird durch die Erlangung der tatsächlichen Gewalt über die Sache erworben (§ 854 Abs. 1 BGB). Diese Voraussetzung ist nach dem glaubhaft gemachten Vorbringen des Antragstellers mit Rücksicht darauf erfüllt, dass er über die Schlüssel zu den Räumlichkeiten der Tribüne unter Einschluss des aus mehreren Kassensystem bestehenden Totalisators in der Tribüne verfügt sowie Beleuchtung und Heizung selbständig regeln kann wie er auch die Sacherhaltungslast an den Grünflächen der Tribüne und des Geläufs von der B übertragen erhalten hat und für die Stallungen und Aufenthaltsorte für die Renn- bzw. Zuchtpferde und deren Trainer gegenwärtig alleinverantwortlich ist, wobei er die Sachherrschaft auch ausüben will.

Dieser Bewertung steht nicht entgegen, dass der Geschäftsbesorgungsvertrag lediglich vorsieht, dass dem Antragsteller Büroraum, der sich in der Tribünen-Anlage befindet und – soweit ersichtlich – hinsichtlich dessen allein die Antragsgegnerin Räumungsklage gegen den Antragsteller erhoben hat, unentgeltlich zur Verfügung zu stellen ist, und ferner, dass die B dem Antragsteller Weisungen erteilen kann. Die Berechtigung der B, dem Antragsteller Weisungen zu erteilen, macht diesen nicht zu deren Besitzdiener (§ 855 BGB), weil hierfür erforderlich ist, dass der Besitzdiener dem Besitzer derart untergeordnet ist, dass er die Weisungen des Besitzherrn schlechthin zu befolgen hat und dieser notfalls selbst eingreifen darf (vgl. Palandt/Bassenge, aaO., § 855, Rn. 2). Besitzdiener ist hingegen nicht jeder, der Weisungen des Eigentümers der Sache zu befolgen hat, sondern nur derjenige, demgegenüber der Eigentümer die Einhaltung seiner Weisungen im Nichtbefolgungsfall auf Grund eines Direktionsrechts oder vergleichbarer Befugnisse unmittelbar selbst durchsetzen kann, solche Befugnisse sehen indes weder das Auftrags- noch das Geschäftsbesorgungsrecht vor, weshalb der Beauftragte, der Geschäftsbesorger ebenso wie Werkunternehmer als Besitzmittler angesehen werden (vgl. BGH, Urteil vom 13. Dezember 2013 – V ZR 58/13 -, BGHZ 199, 227-237, Rn. 14).

Von einer die Annahme bloßer Besitzdienerschaft des Antragstellers rechtfertigenden Weisungsgebundenheit ist gerade mit Rücksicht darauf, dass der Antragsteller aufgrund des Geschäftsbesorgungsvertrages statt der B die von dieser im Mietvertrag übernommene Verpflichtung zur Durchführung von Rennen tatsächlich erfüllt und -wie dem Schreiben des E vom 7.01.2016 (Bl. 19 d. A.) zu entnehmen ist, konkrete Voraussetzungen eigenverantwortlich zu erfüllen hat, nicht auszugehen, nachdem der Geschäftsbesorgungsvertrag ausweislich § 1 dem Antragsteller gerade auferlegt, in dem vorgenannten Verein mittelbar oder unmittelbar Mitglied zu sein. Dass der Geschäftsbesorgungsvertrag lediglich die unentgeltliche Überlassung von erforderlichem Büroraum vorsieht, spricht ebenso wenig gegen die Überlassung des Besitzes an der Rennbahnanlage im Übrigen wie der Umstand, dass nicht tagtäglich Pferderennen veranstaltet werden. Denn die dauernde Überlassung des unmittelbaren Besitzes an der Rennbahnanlage ist bei lebensnaher Betrachtung zur Erfüllung der den Antragsteller als Geschäftsbesorger treffenden Verpflichtungen erforderlich und ist erfolgt. Letzteres hat denn auch Ausdruck im Mietaufhebungsvertrag der Mietvertragsparteien gefunden, der unter Ziffer II. 3. die Verpflichtung der Antragsgegnerin vorsieht, dem Antragsteller ein Angebot zum Abschluss eines Nutzungsvertrages nach näherer Maßgabe der lit. a) bis d) zu unterbreiten, wobei lit c) die Verpflichtung des Antragstellers vorsieht, die Pferdesportanlage der Antragsgegnerin spätestens am 31.12.2015 zu übergeben. Unbeschadet der Frage, ob der Antragsteller aus diesem Vertrag Rechte herleiten kann, die gleichfalls keiner Entscheidung bedarf, belegt die Vertragspassage aber die tatsächliche Ausgestaltung der Nutzung der Anlage durch den Antragsteller im Sinne unmittelbaren Fremdbesitzes.

Das Verbot war auf die antragsgegnerseits angekündigte Abtrennung der Wasser- und Stromversorgung vom städtischen Netz zu erstrecken, weil diese Abtrennung, was keiner Erläuterung bedarf, ebenfalls störend in den vom Antragsteller ausgeübten Besitz an der Rennbahnanlage eingreifen würde. Dem steht nicht entgegen, dass nach Beendigung des Mietverhältnisses der Vermieter gegenüber dem die Mieträume weiter nutzenden Mieter zur Gebrauchsüberlassung und damit auch zur Fortsetzung vertraglich übernommener Versorgungsleistungen, namentlich Belieferung mit Heizenergie, grundsätzlich nicht mehr verpflichtet ist (vgl. BGH, Urteil vom 06. Mai 2009 -XII ZR 137/07 -, BGHZ 180, 300-311). Dieser Entscheidung lag zugrunde, was hier nicht ersichtlich ist, dass der Mieter die Versorgungsleitungen nicht direkt vom Versorgungsunternehmen, sondern vom Vermieter bezog und dem Vermieter durch die weitere Versorgung der Mieträume mit Wasser, Strom und Heizenergie Schaden drohte, weil die Beendigung des Mietverhältnisses auf dem Zahlungsverzug des Mieters beruhte, dem Vermieter also nicht zuzumuten war, die Kosten für eigene Versorgungsleistungen nicht erstattet zu erhalten. Zahlungsverzug in irgendeinem Rechtsverhältnis der Streit- bzw. Vertragsparteien ist aber nicht ersichtlich, desgleichen nicht, die Antragsgegnerin beliefere den Antragsteller unmittelbar mit Wasser und Strom. Es geht lediglich darum, dass die diesbezügliche Versorgung des Antragstellers von Seiten der Versorgungsunternehmen nicht dadurch schlechterdings unmöglich gemacht wird, dass das Grundstück vom städtischen Netz abgetrennt wird, woran vorliegend kein schutzwürdiges Interesse der Antragsgegnerin anzuerkennen ist. Der Antrag war hingegen zurückzuweisen, soweit das Verbot der Zerstörung oder Unbrauchbarmachung der Versorgungsleitungen gefordert wird, weil diesbezüglich ein Verfügungsgrund fehlt, nachdem nicht dargelegt noch glaubhaft gemacht ist, über den Rückbau bzw. den darin in der Sache zum Ausdruck kommenden Abriss der Tribüne und die Trennung der Versorgungsleitungen vom Netz drohe, dass die Antragsgegnerin mit besonderen Maßnahmen gegen die Versorgungsleitungen auf dem Rennbahngelände vorgehen könnte.