Nachfolgend ein Beitrag vom 30.1.2018 von Götsche, jurisPR-FamR 2/2018 Anm. 5

Orientierungssatz

Der Anspruch auf Mitwirkung an der Abgabe einer gemeinsamen Erklärung gegenüber dem gemeinsamen Vermieter i.S.d. § 1568a Abs. 3 Nr. 1 BGB ist im Verfahren der sonstigen Familienstreitsachen zu behandeln.

A. Problemstellung

Eheleute haben die Ehewohnung zumeist gemeinsam angemietet. Zieht ein Ehegatte nach der Trennung und/oder Scheidung aus, verlangt er häufig von dem dort wohnenbleibenden Ehegatten dessen alleinige Fortsetzung des Mietverhältnisses. Handelt es sich dann um eine Familienstreit- oder eine Nichtstreitsache?

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Die Beteiligten sind rechtskräftig geschieden. Der aus der vormaligen (gemeinsam angemieteten) Ehewohnung seit langem ausgezogene Antragsteller begehrt von der Antragsgegnerin, dass sie – mit ihm gemeinsam – gegenüber dem Vermieter der Wohnung erklärt, dass beide sich dahingehend einig sind, dass die Wohnung der Antragsgegnerin zur weiteren alleinigen Nutzung überlassen wurde/wird.
Das OLG Frankfurt sieht die Sache als eine Familienstreitsache gemäß § 112 Nr. 3 FamFG im Sinne einer sonstige Familiensache des § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG an. Denn der Antragsteller verfolge mit seinem Antrag nicht die von § 1568a Abs. 3 Nr. 1 BGB ausgehende Wirkung einer übereinstimmenden Erklärung der (geschiedenen) Ehegatten gegenüber dem gemeinsamen Vermieter, sondern einen ggf. im Innenverhältnis der Beteiligten bestehenden Anspruch auf Mitwirkung an einer solchen das gemeinsam begründete Außenverhältnis umgestaltenden Erklärung.

C. Kontext der Entscheidung

Für Ehewohnungen wird sowohl materiell-rechtlich (§§ 1361b, 1568a BGB) als auch verfahrensrechtlich (§§ 200 ff. FamFG) ein besonderer Schutz gewährleistet. Die Regelungen über die Ehewohnung nach den §§ 1361b, 1568a BGB sind grundsätzlich lex specialis zu sonstigen zivilrechtlichen Ansprüchen zwischen den Ehegatten, die die Ehewohnung betreffen (BGH, Beschl. v. 28.09.2016 – XII ZB 487/15 – FamRZ 2017, 22). Verfahrensrechtlich sind Ehewohnungssachen Familiensachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit (§ 111 Nr. 5 FamFG) = Nichtstreitsachen, für die der Amtsermittlungsgrundsatz gilt und in denen es zur Beteiligung des Jugendamts kommen kann, wenn Kinder im Haushalt der Ehegatten leben (§ 204 Abs. 2 FamFG bzw. § 205 Abs. 1 Satz 1 FamFG); es herrscht kein Anwaltszwang.
Nur wenn der geführte Streit nicht dem Regelungsgehalt der §§ 1361b, 1568a BGB unterfällt, liegt eine sonstige Familiensache i.S.d. § 266 FamFG und damit eine Streitsache vor. Für diese gelten die allgemeinen Vorschriften der ZPO und deren Vorschriften über das Verfahren vor den Landgerichten entsprechend (§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG); insbesondere herrscht Anwaltszwang und Dispositionsmaxime.
Zieht ein Ehegatte aus der gemeinsam angemieteten Ehewohnung aus, ist zu beachten, dass für ihn während der Trennungszeit kein Anspruch gegen den anderen, an der Zustimmung zur Kündigung/Umgestaltung des Mietverhältnisses mitzuwirken, besteht (h.M.: OLG Hamm, Beschl. v. 21.01.2016 – 12 UF 170/15 – FamRZ 2016, 1688; Roßmann, FuR 2016, 680, 684; Finger, FamRB 2016, 321, 322; Wever, FamRZ 2016, 1627, 1632).
Nach der Scheidung kommt ein Anspruch auf Mitwirkung an der Mitteilung nach § 1568a Abs. 3 Nr. 1 BGB in Betracht. Dieser folgt aus den §§ 1353 Abs. 1 Satz 2, 723 ff., 749 ff. BGB, je nachdem, ob die Ehegatten mit der gemeinsamen Eingehung eines Mietvertrages im Innenverhältnis eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder eine Bruchteilsgemeinschaft (zum Halten der sich aus dem Mietvertrag ergebenden Rechte und Pflichten) oder ein sonstiges Rechtsverhältnis begründet haben (so auch OLG Hamm, Beschl. v. 21.01.2016 – 12 UF 170/15 – FamRZ 2016, 1688). Dieser Anspruch hat seinen Grund daher in Vorschriften außerhalb des Ehewohnungsrechts. Damit liegt nach Auffassung des OLG Frankfurt (ebenso i.E. OLG Hamm, Beschl. v. 21.01.2016 – 12 UF 170/15 – FamRZ 2016, 1688) eine Familienstreitsache vor.

D. Auswirkungen für die Praxis

Streiten sich die Eheleute um die Ehewohnung, muss sorgfältig geprüft werden, ob dieser Streit den familienrechtlichen Sonderregelungen über die Ehewohnung (§§ 1361b, 1568a BGB) unterfällt. Danach richtet sich der korrekte Verfahrensweg (Familienstreitsache oder nicht). Bedeutung gewinnt dies deshalb, weil der BGH die Umdeutung eines als Familienstreitsache gestellten Antrags in einen Antrag auf eine Nichtstreitsache wegen der unterschiedlichen Prüfungsgegenstände und Verfahrensgrundsätze ablehnt (BGH, Beschl. v. 28.09.2016 – XII ZB 487/15 – FamRZ 2017, 22). Der fehlerhaft gestellte Antrag ist dann als unzulässig zu verwerfen.

Übernahme des Mietverhältnisses durch einen Ehegatten als Familienstreitsache
Denise HübenthalRechtsanwältin
  • Fachanwältin für Familienrecht
  • Fachanwältin für Erbrecht
  • Wirtschaftsmediatorin (MuCDR)

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