Nachfolgend ein Beitrag vom 13.7.2017 von Flatow, jurisPR-MietR 14/2017 Anm. 3

Leitsatz

Ein einfaches Bestreiten der vom Vermieter vorgetragenen Wohnfläche der gemieteten Wohnung ohne eigene positive Angaben genügt im Mieterhöhungsverfahren nicht den Anforderungen an ein substantiiertes Bestreiten des Mieters (im Anschluss an das Senatsurteil vom 22.10.2014 – VIII ZR 41/14 – NJW 2015, 475).

A. Problemstellung

Der Streit um die Wohnfläche ist in vielen Mietprozessen von Bedeutung, sei es im Betriebskostenprozess, sei es beim Streit um die Minderung wegen einer Wohnflächenabweichung. Auch für die Mieterhöhung ist die Wohnfläche maßgebend. Die ortsübliche Miete wird generell auf den Quadratmeter Wohnfläche bezogen und dann mit der Quadratmeterzahl der Wohnung multipliziert (näher Börstinghaus in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 12. Aufl. 2015, § 558 BGB Rn. 56, Börstinghaus, Flächenabweichungen in der Wohnraummiete, 2012, S. 317 ff.). Maßgebend ist, so die jüngste BGH-Rechtsprechung, allein die tatsächliche Wohnfläche. Auf vertragliche Abreden kommt es nicht an (BGH, Urt. v. 18.11.2015 – VIII ZR 266/14 – NZM 2016, 42). Das führt dazu, dass in der Praxis auch im Mieterhöhungsprozess um die Wohnfläche gestritten wird.
Der BGH hat einen Fall zum Anlass genommen, auf die Substantiierungserfordernisse für beide Seiten näher einzugehen.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Zwischen den Parteien bestand ein Mietvertrag über eine Dachgeschosswohnung. Die Klägerin verlangte von der Beklagten die Zustimmung zu einer erhöhten Miete. Das Mieterhöhungsverlangen benannte die Wohnfläche mit 92,54 m². Den gleichen Wert trug die Klägerin auch im Prozess vor. Die Erwiderung der Beklagten dazu lautete, sie „bezweifle“ die Flächenangabe im Mieterhöhungsverlangen, ebenso die Angabe von 90 m² in dem seinerzeitigen Wohnungsinserat. Ergänzend berief sich die Beklagte auf ein Sachverständigengutachten. Die Klägerin ihrerseits trat trotz gerichtlichen Hinweises keinen Beweis für die von ihr benannte Wohnfläche an. Das Berufungsgericht hatte die Klage daraufhin abgewiesen.
Der BGH hat die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Die Wohnfläche sei nicht substantiiert bestritten. Der Vermieter genüge seiner Substantiierungslast im ersten Schritt allein durch die Angabe einer Quadratmeterzahl. Der Mieter müsse dann seinerseits substantiiert auf diese Behauptung erwidern (§ 138 Abs. 2 ZPO). In Klammern setzt der BGH hinzu: „mit näheren positiven Angaben“. Der Mieter müsse zumindest die Wohnung selbst überschlägig, laienhaft vermessen und das Ergebnis seiner Vermessung vortragen. Die Beklagte hier habe das nicht getan. Sie habe insbesondere nicht dargelegt, wie groß die Wohnung denn nach ihrem Vortrag sei. Aus der Formulierung „bezweifle“ ergebe sich keine positive Behauptung einer Wohnfläche von „jedenfalls nicht größer als 90 m²“. Der Beweisantritt eines Sachverständigengutachtens ersetze seinerseits keinen Vortrag. Die Zurückverweisung sei erforderlich, weil noch Feststellungen über die Mieterhöhung in der Sache zu treffen seien.

C. Kontext der Entscheidung

Die Entscheidungsgründe lassen die Anforderungen für die Praxis im Einzelnen weiter offen. Der BGH verlangt einerseits, der Mieter müsse einen konkreten Flächenwert vortragen, müsse dem Vermieter das „Ergebnis“ seiner eigenen Vermessung entgegenhalten (Tz. 16). Nach diesen Sätzen in der Entscheidung könnte es schon reichen, wenn der Mieter zunächst seinerseits nur einen konkreten Wert behauptet, eben als das „Ergebnis“ seiner eigenen Vermessung. Den Weg dorthin, also die zuvor durchgeführten Ermittlungen müsste der Mieter dagegen nicht – z.B. mit Grundrissen und Einzelmessdaten – von Anfang an darstellen. Anders dagegen der Klammerzusatz: Der Mieter … hat … „substantiiert (d.h. mit näheren positiven Angaben) zu erwidern.“ (Tz. 13). Solche näheren positiven Angaben könnten Einzeldaten wie die Flächen einzelner Räume, Grundrisse, Darstellung von Dachschrägen, sein. Die Entscheidungsgründe enthalten keine nähere Beschreibung.
Der konkrete Sachverhalt verlangte es allerdings auch nicht, die „näheren positiven Angaben“ einzugrenzen, weil – so jedenfalls der BGH – nicht einmal ein konkreter Wert behauptet wurde. Es fehlte hier schon das „Ergebnis“ mit einem bestimmten Zahlenwert.
Ein näherer Hinweis findet sich in dem Vorläuferurteil zum Bestreiten der Flächen im Betriebskostenprozess (BGH, Urt. v. 22.10.2014 – VIII ZR 41/14 – NZM 2015, 44, 45, Tz. 18 f). Auf dieses Urteil nimmt die aktuelle Entscheidung ausdrücklich Bezug. Dort hatte der BGH die näheren Angaben insoweit umschrieben, wie es die Gesamtfläche des Gebäudes betraf. Der Mieter müsse die „wahrnehmbaren Gegebenheiten“ wie Gebäudezuschnitt, Anzahl der Wohnungen und Stockwerke vortragen, um sein Bestreiten zu begründen. Wahrnehmbare Gegebenheiten in der bewohnten Wohnung sind die Abmessungen der Räume, ggf. Dachschrägen und Raumhöhen.
Nach den allgemeinen Grundsätzen im Zivilprozessrecht lässt sich die Entscheidung hinterfragen. Die Erklärungslast des Gegners ist in Bestehen und Umfang davon abhängig, wie die darlegungspflichtige Partei vorgetragen hat. Je detaillierter der Vortrag, desto höher die Erklärungslast nach § 138 Abs. 2 ZPO (vgl. zuletzt BGH, Urt. v. 04.04.2014 – V ZR 275/12 – NJW 2015, 468, 469 Tz. 11 m.w.N., ebenso die Entscheidung hier Tz. 19). Die Anwendung dieser Grundsätze ließe eher den Schluss zu, dass auf eine Zahl mit einer Zahl geantwortet werden darf. In Stufe zwei müsste der Vermieter, der immerhin die Darlegungslast hat, näher zu den Einzelzeiten seiner Flächenberechnung vortragen. Erst das würde die konkreten Darlegungen des Mieters zu seinen eigenen Messungen und Berechnungen verlangen. Das „Klipp-Klapp-Schema“ des § 138 Abs. 2 ZPO. Wenn dagegen der Vermieter nur eine Zahl in den Raum stellen, der Mieter seinen Wert aber sofort durch nähere Beschreibung von Raumgrößen und -höhen erläutern muss, entsteht ein Ungleichgewicht.
Dafür, dem Mieter als erstem Einzeldaten abzuverlangen, obwohl er nicht die Darlegungslast hat, sprechen wohl schlicht die praktischen Erfordernisse der Prozessbeschleunigung. Es mag sein, dass der BGH die instanzgerichtliche Praxis im Blick hatte. Die Versuchung, mit einer schlichten – niedrigeren – Flächenangabe den Prozess zu verzögern, wäre nicht gering: „Der Mieter hat die Wohnung vermessen, es sind nur 85 m²“. Umgekehrt haben manche Vermieter, die eine Bestandsimmobilie erworben haben, selbst nur dürftige Unterlagen. Und sie kommen nicht für eine Nachvermessung in die Wohnung. Höhere Anforderungen an den Mieter finden auch im Schrifttum durchaus Zustimmung, werden jedenfalls als hinnehmbar bewertet (so etwa Schmid, MDR 2015, 187, 189). Mit dieser Linie lässt sich der Wohnflächenstreit im Mieterhöhungsprozess auch handhaben. Nicht so unproblematisch sind die Substantiierungserfordernisse, wenn sie sich im Betriebskostenprozess auf die Gesamtwohnfläche beziehen – hier könnte der Mieter nicht einmal laienhaft die gesamte Anlage oder gar Wirtschaftseinheit vermessen. Wahrnehmbar sind ihm die Anzahl der Stockwerke und der Wohnungen. Daraus lässt sich aber für die Wohnfläche nicht wirklich etwas ableiten. Schon den Zuschnitt der anderen Wohnungen im Haus (Innenwände) kann der Mieter nicht vortragen. Hier geht es nicht an, dem Mieter die erste Konkretisierung abzuverlangen. Sonst erhält der Vermieter einen Vertrauensvorschuss, gegen den der Mieter ohne eigene Ermittlungsmöglichkeiten ankämpfen muss (Schmid, MDR 2015, 187, 189; ähnlich Bieber, jurisPR-MietR 01/2015 Anm. 5 unter C).

D. Auswirkungen für die Praxis

Für die Praxis gilt in jedem Fall, dass der Mieter aktiv werden muss, wenn er die Wohnfläche bestreiten will. Auf ein Bestreiten mit Nichtwissen kann er sich nicht zurückziehen. Auch von der schlichten, wenn auch konkreten Behauptung einer geringeren Wohnfläche wäre aus Gründen anwaltlicher Vorsorge dringend abzuraten. Der Mieter sollte genau das tun, was der BGH anspricht – mit dem Zollstock durch die Wohnung gehen, Flächen, Raumhöhen, Dachschrägen ausmessen. Nicht nur die Summe, sondern die Einzelheiten sollte er vortragen. Geschieht das und führt es auch zu einer geringeren Fläche, ist allerdings der Vermieter gefordert. Er behält die Darlegungs- und Beweislast.