Nachfolgend ein Beitrag vom 2.6.2016 von Krapf, jurisPR-MietR 11/2016 Anm. 1
Leitsatz
Eine Rückzahlung der Vorauszahlungen scheidet aus, wenn die Mieter nach Eintritt der Abrechnungsreife einen Anspruch auf Vorlage einer ihrer Meinung nach nicht erfolgten Abrechnung nicht durch Ausübung eines Zurückbehaltungsrechtes an der Zahlung der weiteren Vorauszahlungen versucht haben durchzusetzen.
Orientierungssatz zur Anmerkung
Eine Rückzahlung von geleisteten Vorauszahlungen auf Betriebskosten kommt auch bei beendeten Mietverhältnissen dann nicht in Betracht, wenn über diese Vorauszahlungen formell ordnungsgemäß abgerechnet wurde.
A. Problemstellung
Viele Rechtsstreitigkeiten in Mietsachen müssten schon gar nicht geführt werden, wenn sich im Vorfeld die meist anwaltlich vertretenen Parteien vor der endgültigen Verweigerung von berechtigten Forderungen bzw. der Geltendmachung von unberechtigten Ansprüchen mit der Sach- und Rechtslage qualifiziert auseinandersetzen würden. Dies ist insbesondere dann angezeigt, wenn es zu einer Rechtsfrage eindeutige BGH-Entscheidungen gibt und darüber hinaus diese von allen maßgeblichen Stimmen der Literatur ebenfalls im Ergebnis übereinstimmend beurteilt wird. So liegt der Fall hier. Vorauszahlungen auf Betriebskosten sind allenfalls dann in einem beendeten Mietverhältnis zurückzuerstatten, solange der Vermieter keine den Mindestanforderungen der Rechnungslegung entsprechende Abrechnung vorlegt.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Das AG Dortmund hatte darüber zu entscheiden, ob den Klägern, welche bis zum 31.10.2013 Mieter von Wohnraum waren, auf ihren entsprechenden Klageantrag hin die von ihnen auf Betriebskosten geleisteten Vorauszahlungen für die Jahre 2011 und 2012 zurückerstattet werden müssen.
Diesem Rechtsstreit war zunächst eine weitere gerichtliche Auseinandersetzung zwischen den Parteien über den vonseiten des Vermieters geltend gemachten Nachzahlungsbetrag aus der Betriebskostenabrechnung 2011 i.H.v. 281,17 Euro vor einem anderen Dezernatsrichter desselben Amtsgerichtes vorausgegangen. Dabei konnte das Gericht keine formellen Fehler an der Abrechnung feststellen. Obwohl für den Ausgang dieses Rechtsstreits unerheblich, wurden aufgrund des offensichtlich unsubstantiierten Sachvortrages zu vermeintlichen materiellen Fehlern der Abrechnung auch in dem Parallelverfahren keine Gründe gesehen, weshalb die Klageforderung nicht berechtigt sei. Das Gericht sprach dem jetzigen Beklagten somit den begehrten Nachzahlungsbetrag in voller Höhe mit Datum vom 30.03.2015 zu.
Wiederum ein anderer Dezernatsrichter desselben Amtsgerichts musste sich mit dem Nachzahlungsbetrag aus dem Jahr 2012 i.H.v. 220,28 Euro aus der Abrechnung vom 14.08.2013 befassen, da auch dieser Betrag von den Klägern nicht fristgemäß ausgeglichen wurde. Mit Datum vom 26.08.2013 wurden Einwendungen seitens der Mieter dahingehend geltend gemacht, dass vermeintlich ein falscher Verteilerschlüssel bei der Position der Wasserkosten Anwendung gefunden habe. Ohne dem diesbezüglichen Rechtsstreit vorzugreifen, hat das Gericht im vorliegenden Fall inzident festgestellt, dass auch hier keine formellen Unrichtigkeiten der Abrechnung über die Betriebskostenabrechnung 2012 ersichtlich sind und selbst wenn die materiellen Einwendungen im Parallelprozess durchgreifen würden, die Mieter mit hoher Wahrscheinlichkeit aus den anderen streitgegenständlichen Positionen wiederum zu einer Nachzahlung verurteilt werden.
Nachdem § 812 BGB als Anspruchsgrundlage wegen der mietvertraglich vereinbarten Zahlungspflicht der Vorauszahlungen für eine Rückforderung von vornherein ausschied, nahm das Gericht Bezug auf die Rechtsprechung des BGH, wonach ausnahmsweise dann nach den Grundsätzen ergänzender Vertragsauslegung eine Rückzahlung von Vorauszahlungen auf Betriebskosten in Betracht kommt, wenn nach Ablauf der Abrechnungsfrist bislang keine formell ordnungsgemäße Abrechnung über diese Vorauszahlungen erteilt und das Mietverhältnis zwischenzeitlich beendet wurde. In diesem Fall kann der Mieter nicht von einem Zurückbehaltungsrecht an den zukünftigen Vorauszahlungen Gebrauch machen. Auch sei ihm eine möglicherweise aufwändige Klage auf Erteilung einer ordnungsgemäßen Abrechnung nicht grundsätzlich zumutbar (vgl. auch BGH, Urt. v. 09.03.2005 – VIII ZR 57/04). Am Rande verwies das Amtsgericht noch darauf, dass eine Rückzahlung für die Betriebskostenvorauszahlungen für das Jahr 2011 auch deshalb nicht in Betracht komme, da zum Zeitpunkt der Abrechnungsreife dieser Abrechnung das Mietverhältnis noch bestand und somit die Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts an den zukünftigen Vorauszahlungen möglich gewesen wäre.
All dies kann jedoch dahingestellt bleiben, da der begehrte Rückzahlungsanspruch schon an der wichtigsten Voraussetzung, mithin dass formell ordnungsgemäße Betriebskostenabrechnungen nicht übermittelt wurden, im vorliegenden Fall scheitert. Die Klage auf Rückzahlung der geleisteten Vorauszahlungen war somit aus allen erdenklichen Gründen heraus abzuweisen.
C. Kontext der Entscheidung
Der der Entscheidung des AG Dortmund zugrunde liegende Sachverhalt und die im Übrigen lesenswerten Randbemerkungen in der Urteilsbegründung des im deutschen Mietrecht nicht ganz unbekannten Dezernatsrichters lassen erkennen, warum es angezeigt ist, dieses Urteil einer breiteren Öffentlichkeit näher zu bringen. Wie bereits oben ausgeführt, waren die Sachverhalte ohne größeren juristischen Aufwand nicht nur für den ausgewiesenen Mietrechtler relativ unproblematisch zu erfassen und zu lösen. Dass bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen Nachzahlungsbeträge auf Betriebskosten geschuldet sind, wenn eine formell und materiell ordnungsgemäße Abrechnung innerhalb der Abrechnungsfrist durch den Vermieter vorgelegt wird, die einen entsprechenden Saldo ausweist, dürfte außer Frage stehen. Auch bedarf es keiner tiefgreifenden Recherche, um die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Rückzahlungsanspruchs von geleisteten Betriebskostenvorauszahlungen in Erfahrung zu bringen.
Im vorliegenden Fall ist anzunehmen, dass hinsichtlich des Jahres 2011 durch die Entscheidung des Amtsgerichts vom 30.03.2015 sowie bezüglich des Jahres 2012 mangels formeller Einwendungen, selbst die Kläger von der formellen Ordnungsgemäßheit der beiden streitgegenständlichen Betriebskostenabrechnungen ausgehen konnten bzw. ausgehen mussten. In diesem Falle hätte der Internetsuchdienst Google bereits in Dutzenden von Beiträgen die Antwort auf die sich daraus ergebende Rechtsfolge in Bezug auf einen Rückzahlungsanspruch der Vorauszahlungen gegeben.
Nach alledem stellt sich hier die entscheidende Frage, weshalb für den hier streitgegenständlichen Sachverhalt drei Gerichtsverfahren bei unterschiedlichen Richtern vor demselben Amtsgericht geführt werden müssen. Nicht nur, dass dies in Relation zum Streitgegenstand erhebliche Kosten für alle Beteiligten auslöst. Es werden die Gerichte auch ein Stück weit davon abgehalten, sich den dringlichen Aufgaben, hier insbesondere der zeitnahen Erledigung von Räumungsklagen, zu widmen. Obwohl aus der vorliegenden Entscheidung nicht eindeutig hervorgeht, ob tatsächlich vor allem in diesem Verfahren auf Mieterseite ein Rechtsanwalt beteiligt war, so ist in der Praxis leider insbesondere dann, wenn eine anwaltliche Beratung der Parteien vorliegt, nicht selten eine Prozessführung ähnlich dem hier vorliegenden Fall zu verzeichnen. Warum dies so ist, lässt sich auch in der täglichen Praxis nicht immer verifizieren.
D. Auswirkungen für die Praxis
Wie bereits ausgeführt, dürfte sich die Entscheidung in mietrechtlicher Hinsicht kaum auf die Praxis auswirken, da sie im Rahmen eines Standardfalls lediglich das wiedergibt, was der allgemeinen Auffassung zu dieser Thematik entspricht. Vielmehr sollte das vorliegende Urteil zum Anlass genommen werden, sich bei Aktivprozessen vor Einreichung einer Klage qualifiziert über deren Erfolgsaussichten Gedanken zu machen. Darüber hinaus dürfte der Anwalt gut beraten sein, wenn er nach ordnungsgemäßer Vorbereitung von der Führung eines derartigen Prozesses abrät. Letzteres auch dann, wenn eine Kostendeckungszusage der Rechtsschutzversicherung bereits vorliegt. Dies dürfte im Interesse aller Beteiligten sein.