Nachfolgend ein Beitrag vom 15.12.2016 von Briesemeister, jurisPR-MietR 25/2016 Anm. 4

Leitsatz

Die Unterbrechung einer Wohnungseigentümerversammlung für ein Mandantengespräch zwischen den von einem Beschlussanfechtungsverfahren betroffenen Wohnungseigentümer und ihrem Prozessbevollmächtigten entspricht nur bei Vorliegen besonderer Umstände ordnungsmäßiger Durchführung der Versammlung.

Orientierungssatz zur Anmerkung

Auch Beschlussmängel, die auf Hinweis der Berufungsinstanz in den Anfechtungsprozess eingeführt werden, können nur berücksichtigt werden, wenn sie bereits in erster Instanz während der Anfechtungsbegründungsfrist gerügt worden sind.

A. Problemstellung

Gelegentlich ergibt sich im Verlaufe einer Eigentümerversammlung die Situation, dass ein Teil der anwesenden Wohnungseigentümer eine Unterbrechung der Versammlung zum Zwecke der Beratung mit einem Rechtsanwalt oder einem sonstigen außenstehenden Berater beantragt, um mit diesem Fragen der weiteren Prozessführung oder auch Sanierungsarbeiten zu besprechen. Im Sinne einer zügigen Durchführung der Versammlung wird mancher gutwillige Verwalter ohne lange Diskussionen bereit sein, dem Unterbrechungsantrag einfach nachzugeben. Er schickt dann die übrigen Wohnungseigentümer vorübergehend aus dem Versammlungsraum, damit das gewünschte interne Beratungsgespräch stattfinden kann. Die hinausgeschickten Wohnungseigentümer können sich fragen, ob durch die Vorgehensweise des Verwalters ein Anfechtungsgrund gegen die nach Unterbrechung gefassten Eigentümerbeschlüsse gegeben ist.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

In einer vorangegangenen Eigentümerversammlung wurde die Wiederbestellung der Verwalterin beschlossen. Dieser Beschluss wurde auf Anfechtungsklage vom Amtsgericht für ungültig erklärt. Die Verwalterin hat das Urteil angefochten, um ihre Verwalterstellung mit der Berufung zu verteidigen. In einer weiteren Eigentümerversammlung sollte nun allgemein über das weitere Vorgehen in dem anhängigen Rechtsstreit sowie vorsorglich über eine erneute Wiederbestellung der Verwalterin beschlossen werden. An der Versammlung nahm auch der Anfechtungskläger des noch anhängigen Prozesses teil. Nachdem die Verwalterin als Versammlungsleiterin über den Stand dieses gerichtlichen Verfahrens berichtet hatte, ließ sie den Prozessbevollmächtigten, der – bis auf zwei Wohnungseigentümer – die übrigen Wohnungseigentümer in dem Anfechtungsverfahren vertrat, zum Zwecke eines internen Mandantengespräches mit den anwesenden Eigentümern in den Versammlungsraum eintreten. Der Rechtsanwalt forderte die beiden Wohnungseigentümer, die er im anhängigen Prozess nicht vertrat, zum Verlassen des Versammlungsraums auf. Daraufhin unterbrach der Versammlungsleiter die Versammlung und verließ mit den beiden protestierenden Wohnungseigentümern ebenfalls den Saal. Später wurde die Versammlung fortgeführt und nach erneuter Diskussion die Wiederbestellung der Verwalterin beschlossen. Mit der Begründung, die Wiederbestellung widerspreche wegen Fehlverhaltens in der Vergangenheit ordnungsmäßiger Verwaltung, hat der Kläger den Beschluss angefochten.
Das Amtsgericht hatte die Klage abgewiesen. Im Berufungsverfahren hat das Landgericht den Kläger dazu veranlasst, als Anfechtungsgrund seinen vorübergehenden Ausschluss von der Versammlung in den Prozess einzuführen. Die Berufung wurde zurückgewiesen, jedoch die Revision zugelassen.
Der BGH hat die eingelegte Revision zurückgewiesen.
Zunächst hat er sich mit dem Umfang der Revisionszulassung befasst. Abtrennbaren Teile des Streitstoffs könnten auch einzelne Beschlussmängelgründe sein (BGH, Urt. v. 10.07.2015 – V ZR 198/14 Rn. 7 – ZWE 2015, 410). Die Zulassung der Revision beschränke sich wirksam auf die Frage, ob der Beschluss über die Wiederbestellung der Verwalterin wegen einer Verletzung der Mitgliedschaftsrechte des Klägers in der Versammlung nichtig sei. Diese Rechtsfrage könne sehr wohl von der Frage getrennt werden, ob die Wahl der Verwalterin wegen Fehlern bei der bisherigen Verwaltung des Gemeinschaftseigentums ordnungsmäßiger Verwaltung widerspreche. Die Frage der Nichtigkeit des gefassten Eigentümerbeschlusses über die Wiederbestellung der Verwaltung wegen der ermessensfehlerhaften Unterbrechung der Eigentümerversammlung sei – mit dem Landgericht – zu verneinen. Der allerdings aus diesem Gesichtspunkt verbleibende Anfechtungsgrund wäre zwar gegeben, müsse aber hier unberücksichtigt bleiben, weil er nicht rechtzeitig in der Anfechtungsbegründungsfrist geltend gemacht worden sei.

C. Kontext der Entscheidung

Die Entscheidung erscheint auf den ersten Blick verwirrend. Der BGH befasst sich mit Fragen der Versammlungsleitung und nimmt im Einzelnen dazu Stellung, inwiefern die Durchführung einer Versammlung unterbrochen werden kann, wenn ein Teil der anwesenden Wohnungseigentümer eine rechtliche Beratung mit einem bereits mandatierten Rechtsanwalt wünscht, an der andere Wohnungseigentümer aus Gründen der Vertraulichkeit nicht teilnehmen können. Zumal wenn die Unterbrechung ohne zeitliche Begrenzung verkündet wird und die ausgeschlossenen Wohnungseigentümer sich nicht einmal auf den Wiederbeginn einstellen können, wird dies als Fehlverhalten des Versammlungsleiters gewertet. Dieser Anfechtungsgrund hätte aber bereits innerhalb der Anfechtungsbegründungsfrist von zwei Monaten seit Beschlussfassung in den anhängigen Anfechtungsprozess eingeführt werden müssen. Sonst stellt sich nur noch die – hier zu verneinende – Frage der Nichtigkeit des nach Wiedereinberufung der Versammlung gefassten Eigentümerbeschlusses (hier: hinsichtlich der Wiederbestellung der früheren Verwalterin). Der eingeführte Anfechtungsgrund, dass die Wiederbestellung der Verwalterin wegen Mängeln ihrer bisherigen Amtsführung ordnungsmäßiger Verwaltung widerspreche, ist wegen der auf eine abtrennbare andere Rechtsfrage beschränkten Zulassung der Revision in dritter Instanz schon von vornherein nicht mehr zu behandeln.

D. Auswirkungen für die Praxis

Die Entscheidung enthält äußerst wichtige Rechtsausführungen zur Durchführung der Eigentümerversammlung und insbesondere einer möglichen Unterbrechung auf Wunsch einiger Wohnungseigentümer, dem die anderen widersprechen. Dabei kommt es auf die Gründe für die Unterbrechung an, aber auch auf die Formalitäten, insbesondere darauf, ob die zeitweise ausgeschlossenen Wohnungseigentümer wissen, auf welchen Zeitraum sie sich bei der Unterbrechung einstellen müssen. Wenn der Verwalter/Versammlungsleiter hierbei formale Fehler macht, geraten die danach erfolgenden Beschlussfassungen in die Gefahr, bereits aus formalen Gründen – Verletzung von Mitgliedschaftsrechten bei der Teilnahme an Versammlungen und Abstimmungen – der Ungültigerklärung zu verfallen, ohne dass es noch darauf ankäme, ob die beschlossenen Verwaltungsmaßnahmen in der Sache ordnungsgemäß sind oder nicht.
Der BGH stellt bei der Beurteilung der Unterbrechung der Versammlung klar, dass die während der Dauer der Unterbrechung der Versammlung geführte Unterredung der Wohnungseigentümer mit ihrem Prozessbevollmächtigten nicht als Teil der Eigentümerversammlung zu qualifizieren ist. Durch den Ausschluss einiger Wohnungseigentümer von dem Mandantengespräch sind diese daher folgerichtig nicht in ihrem Recht auf Teilnahme an der Wohnungseigentümerversammlung beschnitten worden (vgl. dazu BGH, Urt. v. 10.12.2010 – V ZR 60/10 Rn. 8 – NJW 2011, 679). Selbst das Fehlen eines sachlichen Grundes für die Unterbrechung ändert aber nichts daran, dass während der Unterbrechung gerade keine Eigentümerversammlung stattfindet.
Somit ist durch den Ausschluss der hinausgeschickten Wohnungseigentümer von dem Mandantengespräch deren Recht auf Teilnahme an der Eigentümerversammlung nicht beschränkt worden. Die Entscheidung des Versammlungsleiters über die Unterbrechung war jedoch ermessensfehlerhaft. Der Versammlungsleiter hat zwar die Befugnis, eine Eigentümerversammlung zu unterbrechen, wenn dies einer ordnungsmäßigen Durchführung der Versammlung entspricht (Merle in: Bärmann, WEG, 13. Aufl., § 24 Rn. 115; Bub in: Staudinger, BGB [2005], § 24 WEG Rn. 103). Er entscheidet über die – auf ein angemessenes zeitliches Maß beschränkte – Unterbrechung nach pflichtgemäßem Ermessen (Schmidt, AnwZert MietR 6/2012, Anm.1). Die hier vorliegende Unterbrechung zu dem Zweck, den von einem Beschlussanfechtungsverfahren über die Wiederbestellung der Verwalterin betroffenen Wohnungseigentümer ein Informationsgespräch mit ihrem Prozessbevollmächtigten zu ermöglichen, entspricht aber regelmäßig nicht einer ordnungsmäßigen Durchführung der Versammlung. Eine sachgerechte rechtliche oder fachliche Beratung erfordert es gerade nicht, das Mandantengespräch während einer bereits laufenden Eigentümerversammlung zu ermöglichen, was auch vorher hätte stattfinden können (vgl. Drasdo, NZM 2016, 174, 176; Dötsch, jurisPR-MietR 12/2016 Anm. 5). Nur bei Vorliegen besonderer Umstände, etwa wenn ein Beratungsbedarf erst aufgrund der in der Eigentümerversammlung geführten Diskussionen zu einem bestimmten Tagesordnungspunkt entsteht, kann eine Unterbrechung zum Zwecke eines Mandantengespräches in Betracht kommen. Derartige besondere Umstände liegen hier aber nicht vor. Damit fehlt es nicht nur an dem erforderlichen sachlichen Grund für die Unterbrechung, vielmehr war die Vorgehensweise des Versammlungsleiters geeignet, bei den ausgeschlossenen Wohnungseigentümer den Anschein zu erwecken, dass die Verwalterin einseitig die Interessen einer Eigentümergruppe wahrnimmt und damit gegen die Neutralitätspflicht verstößt (zumal es in dem ersten Anfechtungsprozess gerade um die Wiederbestellung der Verwalterin ging).
Weiterhin hat der BGH unabhängig davon bekräftigt, dass der Versammlungsleiter die Unterbrechung, die sich nach den Angaben des Klägers auf etwa eine Stunde erstreckt haben soll, nicht auf einen vorher bestimmten Zeitraum begrenzt hatte, sondern die von dem Mandantengespräch ausgeschlossenen Wohnungseigentümer über den Zeitpunkt der Fortsetzung der Wohnungseigentümerversammlung „völlig im Ungewissen ließ.“ Eine Unterbrechung der Versammlung ohne eine zumindest ungefähre vorhergehende Festlegung der Unterbrechungsdauer ist mit einer ordnungsmäßigen Versammlungsführung nicht vereinbar.
Bleibt die Frage, wie der Verwalter sich verhalten soll, wenn in einer laufenden Versammlung von einzelnen Wohnungseigentümern der Wunsch herangetragen wird, die Versammlung zu unterbrechen, um mit einem Dritten Beratungsgespräche zu führen. Der Verwalter kann kaum abschätzen, welche sachlichen Gründe vorhanden sein müssen, dass die Gerichte später die Unterbrechung für ordnungsmäßig halten. Ebenso wenig kann der Verwalter voraussehen, welche Dauer angemessen ist, um die ausgeschlossenen Wohnungseigentümer nicht ewig warten lassen zu müssen. Mag der Verwalter auch insoweit ein Ermessen bei der Versammlungsleitung haben, so kann er doch kaum mit Sicherheit voraussehen, wie er in dieser Richtung entscheiden soll. Lehnt er dringliche Wünsche ab, kann dies von den Gerichten später dahin ausgelegt werden, dass er die Entscheidungsfindung einzelner Wohnungseigentümer beeinträchtigt hat. Aber auch stets die Unterbrechung abzulehnen, könnte für den Verwalter zum Fallstrick werden.
Ein Ratschlag kann daher nur in die Richtung gehen, dass der Verwalter diesen Wunsch zum Anlass für eine Abstimmung über die Geschäftsordnung macht. Er muss den Grund für die Unterbrechung klarstellen und ebenso die gewünschte Dauer und sodann darüber abstimmen lassen. Damit verlagert er die Verantwortung für die Unterbrechung und deren Dauer auf die ergehende Mehrheitsentscheidung. Er hat dann die Verantwortung für die Unterbrechung in die Hände der Versammlung als das oberste Organ der Gemeinschaft gelegt, die darüber mit Mehrheit entscheiden mag. Im Anfechtungsprozess hinsichtlich der konkreten Verwaltungsmaßnahmen kann dann das Gericht inzidenter überprüfen, ob die mehrheitliche Entscheidung der Wohnungseigentümer über die Unterbrechung fehlerhaft war oder nicht und wie sich das auf die danach gefassten Eigentümerbeschlüsse auswirkt.

E. Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung

Ob die ermessensfehlerhafte Unterbrechung der Eigentümerversammlung hier die erfolgreiche Anfechtbarkeit des im Anschluss an die Unterbrechung gefassten Beschlusses zur Folge hat, lässt der BGH ausdrücklich offen, obwohl er nach seinen ausführlichen Erörterungen über den unzureichenden Grund zur Unterbrechung wie auch über die fehlende Ankündigung der Unterbrechungsdauer, dies eigentlich bejahen müsste. Der BGH zieht sich auf die Begründung zurück, dass der Beschluss jedenfalls nicht nichtig ist. Denn eine rechtsmissbräuchliche Ausnutzung formaler Gestaltungsmöglichkeiten reicht nicht aus, um die Nichtigkeit eines Beschlusses zu begründen (Merle in: Bärmann, WEG, 13. Aufl., § 23 Rn. 138).
Besonders festzuhalten bleibt der vom BGH bekräftigte Grundsatz, dass die Zulassung der Revision auf abtrennbare Teile des Streitstoffes beschränkt werden kann. Im vorliegenden Fall war das Landgericht zu großzügig, indem es eine bestimmte Rechtsfrage, nämlich zur Unterbrechung einer Eigentümerversammlung durch den Verwalter, in die Überprüfung durch die Revisionsinstanz bringen wollte. Der BGH hat dies zwar aufgegriffen und Rechtsausführungen zur Versammlungsunterbrechung gebracht, dies hat sich aber im Ergebnis auf die Entscheidung des Rechtsstreits nicht ausgewirkt, weil es sich um einen bloßen Anfechtungsgrund handelt, der schon in der ersten Instanz im Laufe der Begründungsfrist hätte geltend gemacht werden müssen, was aber nicht geschehen ist. Dies hätte das Landgericht als Berufungsgericht eigentlich selbst zu berücksichtigen gehabt. Allgemein gesprochen sind aber die Beschlussmängel wohl auch nicht immer so klar und ohne Zweifel abgrenzbar, so dass sich künftig auch daraus neue Probleme zur möglichen Revisionszulassung ergeben werden, die durchaus unterschiedlich beantwortet werden können.