Nachfolgend ein Beitrag vom 16.6.2017 von Bueb, jurisPR-MietR 12/2017 Anm. 4

Leitsätze

1. Der lediglich fahrlässige Zahlungsverzug des Mieters mit laufenden Mietzahlungen i.H.v. 1.204,82 Euro rechtfertigt den Ausspruch einer ordentlichen Kündigung – unabhängig von der Höhe der monatlich geschuldeten Miete – bei einem zuvor langjährig unbeanstandet geführten Mietverhältnis gemäß § 573 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB zumindest dann nicht, wenn der Vermieter den Ausgleich des Zahlungsrückstandes vor Ausspruch der Kündigung nicht angemahnt hat.
2. Die Darlegungs- und Beweislast für Zugang einer Mahnung trägt im Rahmen des § 573 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB der Vermieter.

A. Problemstellung

Das LG Berlin hatte sich mit der Frage zu befassen, ob der lediglich fahrlässige Zahlungsverzug eines Mieters mit laufenden Mietzahlungen den Ausspruch einer ordentlichen Kündigung rechtfertigt, wenn das Mietverhältnis vorher langjährig unbeanstandet geführt wurde und der Vermieter den Zahlungsrückstand zuvor nicht angemahnt hat.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Die Vermieter hatten die Mieter erstinstanzlich vor dem AG Berlin-Mitte auf Räumung von Wohnraum verklagt. Gestützt wurde das Räumungsverlangen der Vermieter als Kläger auf eine ordentliche Kündigung wegen erheblicher Pflichtverletzung nach § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB, da die Mieter einen Gesamtbetrag von laufenden Mietzinszahlungen i.H.v. 1.204,82 Euro fahrlässig nicht geleistet hatten. Das AG Berlin-Mitte hatte die Räumungsklage abgewiesen, da das Mietverhältnis zwischen den Parteien nicht durch den Ausspruch der ordentlichen Kündigung der Kläger beendet sei. Es hat im Rahmen der gebotenen Einzelfallprüfung die Erheblichkeit der den Beklagten zur Last gelegten Pflichtverletzung verneint. Durch die absolute Höhe des Zahlungsrückstandes von 1.204,82 Euro, die Besonderheiten des Zahlungsverlaufes, die bloße Fahrlässigkeit, welche von der Klägerin nicht widerlegt wurde, die beanstandungsfreie Dauer des Mietverhältnisses von 15 Jahren zum Zeitpunkt des Ausspruches der Kündigung und der von den Klägern unterlassenen Abmahnung der Pflichtverletzung sei ein berechtigtes Interesse der Kläger zur Beendigung des Mietverhältnisses nach § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB oder nach der Generalklausel § 573 Abs. 1 BGB nicht gegeben.
Das LG Berlin hat sich der Meinung des Amtsgerichts angeschlossen und bekanntgegeben, dass es die Zurückweisung der Berufung der Kläger nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO beabsichtigt.
An der Zurückweisungsabsicht der Berufung ändere sich auch nichts dadurch, dass die Kläger im Rahmen der Berufung erstmals behaupteten, das Mietverhältnis sei in der Vergangenheit belastet gewesen. Denn das zur Begründung dieser Belastung herangezogene Urteil habe keinen Zahlungsverzug der Beklagten betroffen, sondern einen anderen Sachverhalt.
Weiterhin seien die Kläger zum angeblich erfolgten Zugang der Mahnung vor Kündigungsausspruch beweisfällig geblieben. Den Zugang der Mahnung haben die Kläger zu beweisen, sie haben dies jedoch nicht gekonnt. Das Amtsgericht habe zutreffend erkannt, dass in bestimmten Fallgestaltungen im Rahmen der materiellen Begründetheit der Kündigung erst die Nichtbeachtung einer vorherigen Mahnung geeignet sei, der Pflichtverletzung des Mieters das für eine ordentliche Kündigung erforderliche zusätzliche Gewicht zu verleihen (vgl. BGH, Urt. v. 28.11.2007 – VIII ZR 145/07 – NJW 2008, 508 Rn. 28; KG Berlin, Beschl. v. 20.10.2016 – 67 S 214/16 – WuM 2016, 741 Rn. 7).
Das Landgericht gebe den Klägern zwar Recht, dass der Ausspruch einer Abmahnung keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für eine ordentliche Kündigung darstelle. Hierauf habe das AG Berlin-Mitte in seiner klageabweisenden Entscheidung jedoch auch gar nicht abgestellt.

C. Kontext der Entscheidung

Die Entscheidung des LG Berlin ist richtig, da es bei einer ordentlichen Kündigung wegen schuldhafter Pflichtverletzung (hier Zahlungsverzug des Mieters) nach § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB maßgeblich auf eine jeweilige Einzelfallprüfung ankommt. Es wurde vom Amtsgericht bereits das Verschulden der Beklagten verneint und außerdem das langjährige beanstandungsfreie Mietverhältnis zur Abwägung herangezogen. Der ausschlaggebende Punkt ist jedoch, dass die Kläger die Pflichtverletzung der Beklagten vor Ausspruch der Kündigung nicht nachweislich abgemahnt haben. Nur ein Verstoß der Mieter nach Abmahnung kann die Erheblichkeit einer Pflichtverletzung im Einzelfall begründen. Eine rechtskräftige Entscheidung des LG Berlin in dieser Sache lag noch nicht vor, da die Kläger auf den Hinweisbeschluss eine Frist zur Stellungnahme erhalten haben. Letztlich hat sich das Berufungsverfahren durch Zurückweisungsbeschluss erledigt.

D. Auswirkungen für die Praxis

Es ist unabdingbar für den rechtssicheren Ausspruch einer ordentlichen Kündigung wegen schuldhafter Pflichtverletzung des Mieters nach § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB, diese Pflichtverletzung zuvor nachweislich abzumahnen, auch wenn dies keine formelle Voraussetzung für die Kündigung darstellt. Denn die Abmahnung kann für die Frage Bedeutung haben, ob die Pflichtverletzung erheblich ist.
Im vorliegenden Fall lag wohl ein schlichtes Versehen der Mieter vor, bei einer vorangegangenen Abmahnung hätte die trotzdem folgende Pflichtverletzung ein anderes Gewicht erhalten.