Nachfolgend ein Beitrag vom 2.11.2017 von Eisenschmid, jurisPR-MietR 22/2017 Anm. 2
Leitsätze
1. Ein Mieter überschreitet die Grenze vertragsgemäßen Gebrauchs und verstößt gegen seine mietvertragliche Obhutspflicht (§§ 535, 538, 241 Abs. 2 BGB), wenn er in der angemieteten Wohnung illegale Betäubungsmittel aufbewahrt.
2. Zur Frage der Schadensursächlichkeit mietvertraglicher Obhutspflichtverletzungen.
A. Problemstellung
Die Entscheidung befasst sich mit den Grenzen der Obhutspflicht des Mieters.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Klägerin als Vermieterin nimmt den Beklagten als ihren ehemaligen Mieter auf Zahlung von Schadensersatz für die bei einem Polizeieinsatz beschädigte Wohnungseingangstür in Anspruch. Gegen den Beklagten lagen sowohl ein Haftbefehl als auch ein Durchsuchungsbeschluss für die streitgegenständliche Wohnung wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) im Tatzeitraum vom 01.01.2012 bis zum 31.10.2012 vor. Bei der Durchsuchung der Wohnung wurden 26,32 g Marihuana aufgefunden und sichergestellt. Insoweit verurteilte die Strafkammer des LG Nürnberg-Fürth den Beklagten wegen vorsätzlichen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG) durch rechtskräftiges Urteil zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten. Vom Vorwurf des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln, der – so die Strafkammer – allein auf den Angaben eines von dieser als unglaubwürdig erachteten Zeugen beruht hatte, wurde er hingegen freigesprochen. Beim Vollzug des Durchsuchungsbeschlusses wurde die Wohnungseingangstür von den Polizeikräften aufgebrochen und beschädigt. Der Klägerin sind Kosten i.H.v. 1.570,92 Euro für die Reparatur der Tür entstanden.
Das Amtsgericht hatte die Klage abgewiesen. Die – ausschließlich vom Bundesland als Träger der Polizei im Wege der Streithilfe eingelegte – Berufung ist zurückgewiesen worden.
Der BGH hat die vom Streithelfer der Klägerin geführte Revision gegen das Urteil des Landgerichts zurückgewiesen und damit die vorinstanzlichen Entscheidungen im Ergebnis bestätigt.
Zunächst sei festzustellen, dass der Beklagte durch die Aufbewahrung der unter Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) erworbenen Betäubungsmittel in der Wohnung gegen seine vertraglichen Obhutspflichten als Mieter verstoßen habe (§§ 535, 241 Abs. 2 BGB). Ebenso wie den Vermieter verpflichte das Mietverhältnis (§ 535 BGB) seinem Inhalt nach auch den Mieter zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen seines Vertragspartners (§ 241 Abs. 2 BGB). Aufgrund dieser Obhutspflicht habe ein Mieter die Mietsache schonend und pfleglich zu behandeln sowie alles zu unterlassen, was zu einer – von dem ihm zustehenden vertragsgemäßen Gebrauch (§ 538 BGB) nicht umfassten – Verschlechterung oder einem Schaden an dieser führen könne (vgl. BGH, Urt. v. 07.06.1989 – VIII ZR 91/88 – BGHZ 108, 1, 8; BGH, Urt. v. 05.10.1994 – XII ZR 15/93 – NJW-RR 1995, 123 unter II 2a; BGH, Urt. v. 06.11.2013 – VIII ZR 416/12 Rn. 17 f. – NJW 2014, 143; KG, Urt. v. 11.02.2008 – 8 U 151/07 – KGR Berlin 2008, 529; Kraemer in: Festschrift für Blank, 2006, S. 281; Emmerich in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2014, § 535 Rn. 94; jeweils m.w.N.). Gegen diese besondere Schutzpflicht, die nicht zuletzt Konsequenz des auf den Mieter übertragenen Besitzes an der Mietsache sei (vgl. BGH, Urt. v. 07.06.1989 – VIII ZR 91/88 – BGHZ 108, 1, 9), könne ein Mieter jedoch nicht nur im unmittelbaren Umgang mit dieser verstoßen, sondern auch durch einen Gebrauch, welcher schädigende Einwirkungen Dritter hervorzurufen geeignet sei. Mit der Aufbewahrung von 26,32 g Marihuana in der von ihm angemieteten Wohnung habe der Beklagte diese Obhutspflicht verletzt. Mit einem derartigen Verhalten überschreite der Mieter daher den ihm aufgrund seiner Mietzahlung zustehenden vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache (vgl. BGH, Urt. v. 14.03.2013 – III ZR 253/12 Rn. 1 – BGHZ 197, 43).
Dennoch sei er der Klägerin nicht zum Ersatz der im Rahmen der Durchsuchung entstandenen Schäden an der Wohnungstür verpflichtet (§ 280 Abs. 1 BGB), da diese Straftat nicht Anlass und Ursache der Ermittlungsmaßnahme gewesen sei. Zwischen der Pflichtverletzung des Beklagten – Aufbewahrung der unter Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz erworbenen 26,32 g Marihuana in der Wohnung – und der Beschädigung der Eingangstür bestehe kein Kausalzusammenhang im Sinne einer conditio sine qua non. Zwar sei der Beklagte aufgrund der im Rahmen der Durchsuchung bei ihm aufgefundenen Betäubungsmittel nachfolgend wegen vorsätzlichen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG verurteilt worden. Diese erst anlässlich der Durchsuchung festgestellte Straftat sei jedoch nicht Grundlage der am 27.06.2013 durchgeführten Ermittlungsmaßnahmen. Denn der an diesem Tag durch die Polizeibeamten des Streithelfers vollzogene Durchsuchungsbeschluss hätte zwar ebenfalls dem Beklagten vorgeworfene Betäubungsmitteldelikte zum Gegenstand, jedoch ginge es hierbei um Tatvorwürfe des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) aus dem bereits länger zurückliegenden Tatzeitraum vom 01.01.2012 bis zum 31.10.2012. Dass es sich bei den am 27.06.2013 aufgefundenen Betäubungsmitteln aber um Tatmittel aus diesen dem Beklagten vorgeworfenen Taten handele, könne – jedenfalls mangels anderslautender Feststellungen des Berufungsgerichts – nicht angenommen werden. Daher wären die Ermittlungsmaßnahmen in gleicher Weise durchgeführt worden, wenn der Beklagte diese Betäubungsmittel nicht erworben und in der Wohnung aufbewahrt hätte.
C. Kontext der Entscheidung
Für den Mietrechtler dürfte der Schwerpunkt der Entscheidung bei der Feststellung der mietvertraglichen Obhutspflicht liegen. Ebenso wie der Vermieter ist auch der Mieter zu Schutz und Fürsorge hinsichtlich seines Vertragspartners und der Mietsache verpflichtet. Dies hindert den Mieter aber nicht, gegenüber dem Vermieter seine Rechtspositionen zu wahren und durchzusetzen, etwa auch durch eine Strafanzeige (LG Frankfurt/Oder, Urt. v. 15.04.2013 – 16 S 230/12 zur Strafanzeige wegen Hausfriedensbruchs). Der Mieter muss aber die Mietsache schonend und pfleglich behandeln. Daher hat er alles zu unterlassen, was zu einem Schaden an der Mietsache führen kann (AG Düsseldorf, Urt. v. 20.01.2015 – 42 C 10583/14 (Urinieren im Stehen; vgl. aber LG Düsseldorf, Urt. v. 12.11.2015 – 21 S 13/15); AG Hamburg-Harburg, Urt. v. 18.03.2011 – 641 C 363/10 zu einem sog. Messie sowie Emmert in: jurisPR-MietR 6/2012 Anm. 4; Kinne/Schach/Bieber, Miet- und Mietprozessrecht, § 535 Rn. 72). Hierzu hat der BGH festgestellt, dass die Aufbewahrung von nicht rechtmäßig gehaltenen Betäubungsmitteln in der Wohnung grundsätzlich als ein Verstoß gegen die vertraglichen Obhutspflichten des Mieters anzusehen ist.
Mit einer ähnlichen Konstellation hatte sich schon der III. Zivilsenat des BGH befasst (BGH, Urt. v 14.03.2013 – III ZR 253/12). Er führte in seiner Entscheidung aus, dass die Vermietung einer Wohnung ein sozial adäquates, ja sogar sozial erwünschtes Verhalten sei, das im Normalfall die Gefahr strafbaren Verhaltens der Bewohner weder begünstige noch gar hervorrufe. Der Vermieter verliere nicht durch die bloße Vermietung seine Stellung als unbeteiligter Dritter mit der Folge, dass strafprozessuale Maßnahmen gegen den Mieter seiner Sphäre zuzuordnen wären. Daran ändere sich grundsätzlich auch nichts, wenn der Mieter im Rahmen seines strafbaren Verhaltens Gegenstände – etwa Diebesgut oder Betäubungsmittel – in die Wohnung einbringe. Denn die Überlassung der Wohnung durch den Vermieter erfolge zum vertragsgemäßen Gebrauch; hierfür zahle der Mieter den Mietzins. Letzterer sei daher keine Gegenleistung für vertragswidrige Verhaltensweisen und rechtfertige deshalb nicht für sich die Zuordnung von darauf zurückzuführenden Schäden zur Verantwortungssphäre des Vermieters.
Diese Einschätzung hat der VIII. Senat des BGH nunmehr bestätigt und weiter ausgeführt, dass ein derartiges Mieterverhalten zu einer Verschlechterung oder zu einem Schaden der Mietsache führen könne, da nach der allgemeinen Lebenserfahrung ein Mieter, der in seiner Wohnung Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz begehe oder seine Wohnung zur Aufbewahrung von Tatmitteln aus derartigen Straftaten nutze oder hierfür zur Verfügung stelle, ohne weiteres damit rechnen müsse, dass es im Zuge aufgrund der Lagerung solcher Betäubungsmittel und dadurch veranlasster durchgeführter strafprozessualer Maßnahmen zu Schäden an der Wohnung kommen könne (Mössner in: Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 573 BGB). Daher überschreite der Mieter den ihm aufgrund seiner Mietzahlung zustehende vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache.
Der BGH folgt bezüglich des erforderlichen adäquaten Kausalzusammenhangs der ständigen Rechtsprechung des BGH (vgl. Grüneberg in: Palandt, BGB, vor § 249 Rn. 69).
D. Auswirkungen für die Praxis
Mit seiner Entscheidung hat der BGH die Grenzen der Obhutspflicht des Mieters geschärft und damit den Umfang der Obhutspflicht ausgedehnt. Die Obhutspflicht gilt nicht nur gegenständlich im Sinne einer zu unterlassenen Beschädigung oder Verschlechterung der Mietsache, sondern erfasst darüber hinaus auch das Unterlassen jeglicher Maßnahmen, die für sich allein keine Verschlechterung herbeiführen, aber dennoch geeignet sind, für die Wohnung eine Gefahr durch schädigende Ereignisse zu begründen.
E. Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung
Der BGH hat sich weiterhin mit den Anforderungen an den adäquaten Kausalzusammenhang befasst.
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