Nachfolgend ein Beitrag vom 21.7.2017 von Börstinghaus, jurisPR-BGHZivilR 14/2017 Anm. 1

Leitsatz

Ein einfaches Bestreiten der vom Vermieter vorgetragenen Wohnfläche der gemieteten Wohnung ohne eigene positive Angaben genügt im Mieterhöhungsverfahren nicht den Anforderungen an ein substantiiertes Bestreiten des Mieters (im Anschluss an das Senatsurt. v. 22.10.2014 – VIII ZR 41/14 – NJW 2015, 475).

A. Problemstellung

Die Wohnfläche spielt im Mieterhöhungsverfahren an verschiedenen Stellen eine Rolle. Zunächst handelt es sich um ein Wohnwertmerkmal gemäß § 588 Abs. 2 BGB. Bekanntlich sind regelmäßig die pro Quadratmeter gezahlten Mieten bei kleineren Wohnungen höher als bei größeren Wohnungen. Außerdem ist die ortsübliche Quadratmeter-Vergleichsmiete mit der richtigen Wohnungsgröße zu multiplizieren, um die ortsübliche Vergleichsmiete für die gesamte Wohnung zu ermitteln. Das bedeutet zunächst einmal, dass der Vermieter eine Wohnungsgröße im Mieterhöhungsverlangen aber dann natürlich auch im Zustimmungsprozess vortragen muss. Anschließend stellt sich die Frage, wie der Mieter reagieren muss. Kann er einfach die behauptete Größe mit Nichtwissen bestreiten, oder muss er selbst eine Wohnungsgröße behaupten?

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Genau mit dieser Frage hat sich der VIII. Zivilsenat in der vorliegenden Entscheidung beschäftigt. Seiner Meinung nach darf der Mieter die vom Vermieter behauptete Fläche nicht einfach mit Nichtwissen gemäß § 138 Abs. 4 ZPO bestreiten.
Die Mieterin hatte im Jahr 2010 eine Drei-Zimmer-Dachgeschosswohnung in Mainz für 738 Euro gemietet. Im August 2014 verlangte die Vermieterin die Zustimmung zu einer Erhöhung der Miete auf 798,62 Euro ab November 2014. Der Mietvertrag enthielt keine Wohnflächenangaben. Im Mieterhöhungsverlangen hatte die Vermieterin eine Wohnfläche von 92,54 qm angegeben, die sie in der Vergangenheit auch den Nebenkostenabrechnungen zugrunde gelegt hatte. Die Mieterin „bezweifelte“ im Zustimmungsprozess die angegebene Wohnfläche; sie verlangte geeignete Nachweise zur Größe der Wohnung von der Vermieterin.
Amts- und Landgericht hatten die Zustimmungsklage abgewiesen, da die Vermieterin für die tatsächliche Wohnungsgröße beweisfällig geblieben sei. Sie habe für die Wohnungsgröße keinen Beweis angeboten.
Das hat der Senat zu Recht anders gesehen. Eine Beweisaufnahme sei hier nicht erforderlich gewesen, weil ein wirksames Bestreiten durch den Mieter nicht vorgelegen habe.
Der Vermieter, der eine Mieterhöhung verlangt, trage nach allgemeinen Grundsätzen die Darlegungs- und Beweislast für die in Ansatz zu bringende tatsächliche Wohnfläche. Wenn er jedoch eine bestimmte Wohnfläche vorträgt, genüge dies bereits den Anforderungen an eine substantiierte Darlegung. Nunmehr müsse der Mieter auf diese Behauptung des Vermieters ebenfalls substantiiert erwidern. Das bedeutet, er muss selbst eine Wohnungsgröße behaupten. Er müsse darlegen und ggf. erläutern, von welchen tatsächlichen Umständen er ausgeht. Dem Mieter sei ein solches Vorbringen auch möglich und zumutbar. Die maßgeblichen Umstände stammen aus seinem Wahrnehmungsbereich. Unabhängig davon, ob die Größe der gemieteten Wohnung in der Mietvertragsurkunde angegeben ist oder nicht, sei es dem Mieter in aller Regel selbst möglich, die Wohnfläche der gemieteten Wohnung überschlägig zu vermessen und seinerseits einen bestimmten abweichenden Flächenwert vorzutragen. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die Wohnung Dachschrägen aufweist und eine Loggia hat. Die Berechnung der Wohnfläche einer Dachgeschosswohnung sei zwar aufgrund von Schrägen und Winkeln nach den Vorgaben der Wohnflächenverordnung kompliziert; um die vom Vermieter vorgetragene Quadratmeterzahl wirksam zu bestreiten, genüge es jedoch, wenn ihm der Mieter das Ergebnis einer laienhaften, im Rahmen seiner Möglichkeiten liegenden Vermessung entgegenhält.

C. Kontext der Entscheidung

Der Senat hat mit der vorliegenden Entscheidung an sein Urteil vom 22.10.2014 (VIII ZR 41/14) angeknüpft. Damals hatte er im Rahmen der Untersuchung, ob Betriebskostennachzahlungen im Urkundsverfahren geltend gemacht werden können, mehr oder weniger am Rande entschieden, dass der Umrechnungsschlüssel unstreitig ist, weil das Bestreiten der Wohnfläche mit Nichtwissen durch den Mieter unerheblich war.
Die Entscheidung ist zu § 138 Abs. 4 ZPO ergangen. Eine ähnliche, was die Rechtsfolgen betrifft, unter Umständen sogar weiterreichende Bedeutung hat die Frage aber bei § 199 BGB. Diese Vorschrift spielt bei den Rückforderungsprozessen wegen einer Minderung der Miete bei einer mehr als 10% großen Abweichung der tatsächlichen Fläche von der vereinbarten Fläche eine Rolle. Diese Ansprüche verjähren regelmäßig in drei Jahren, wobei es sich um eine subjektivierte Ultimoverjährung handelt. Die Verjährung beginnt erst, wenn der Mieter von den den Anspruch begründenden Tatsachen Kenntnis hat. Auch hier taucht die Frage auf, wann der Mieter bei Flächenabweichungen diese Kenntnis hat. Fraglich ist, ob hier die Kenntnis von den Kantenlängen der Räume und ihrer Höhe ausreicht. Das wurde zum Teil bejaht (AG Bonn, Urt. v. 18.04.2012 – 203 C 55/11 – MietRB 2012, 225; Börstinghaus, NJW 2011, 3545). Das gilt zumindest für Wohnungen ohne Dachschrägen, Gauben, Erker etc. (Börstinghaus, NZM 2012, 177, 185). Zum Teil wurde diese Auffassung aber auch als zu weitgehend kritisiert (LG Krefeld, Urt. v. 07.11.2012 – 2 S 23/12 – NZM 2012, 858; AG Koblenz, Urt. v. 26.03.2015 – 152 C 3763/14 – WuM 2015, 443; Jacoby, info-M 2011, 367; Eisenschmid, MietPrax-AK, § 536 BGB Nr. 39). Letztendlich wird man aber davon ausgehen müssen, dass die Anforderungen bei § 199 BGB höher als bei § 138 Abs. 4 ZPO sind.

D. Auswirkungen für die Praxis

Behauptet der Vermieter – wie im BGH-Fall – eine Fläche, muss der Mieter auch eine Fläche behaupten und nicht nur die Angabe des Vermieters bestreiten. In diesem Fall muss der Vermieter jetzt seinen Sachvortrag konkretisieren oder, wie der Senat in anderem Zusammenhang neuerdings sagt, „stimmig“ vortragen. Dazu gehört wohl die Vorlage eines Planes mit Maßen. Dann ist es wieder Sache des Mieters, diese Maße substantiiert zu bestreiten.
Das ist so lange unproblematisch, wie es nur um die Wohnung des Mieters geht. Schwierig wird es bei Ansprüchen, zu deren Ermittlung auch die Gesamtwohnfläche des Hauses bekannt sein muss, wie z.B. Betriebskostenabrechnungen und Modernisierungsmieterhöhungen. Hier hat der Mieter ja keine konkrete Kenntnis von den Flächen der anderen Räume. In der Praxis wird hier teilweise verlangt, dass der Mieter hier zunächst einmal „offensichtliche“ Dinge angeben muss, also, dass einige Wohnungen Balkone pp. haben und andere nicht, dass erkennbar Unterschiede bei den Wohnungen vorliegen (Erker, Einbeziehung von Flurflächen etc.). Auch der Rückschluss, wenn die Fläche seiner Wohnung falsch ist, spreche eine Vermutung dafür, dass dies bei allen Wohnungen der Fall ist, ist wohl zulässig. Wenn aber seine Wohnfläche richtig ist und keine offensichtlichen Besonderheiten bei den anderen Wohnungen vorliegen, dann muss das Gericht „Farbe bekennen“, ob dann ein Bestreiten mit Nichtwissen trotzdem ausreicht. Das ist vom BGH so noch nicht entschieden worden. Auch hier kann man zunächst vom Vermieter verlangen, Grundrisspläne aller Wohnungen vorzulegen. Aber was soll der Mieter hier substantiiert bestreiten, wenn er die anderen Wohnungen nicht kennt? Aber ein Haus oder gar eine Wirtschaftseinheit von mehreren 1.000 oder gar 10.000 qm auf Verdacht vermessen zu lassen, ist in der Praxis die schlechtere Alternative.