Nachfolgend ein Beitrag vom 20.10.2016 von Fritz, jurisPR-MietR 21/2016 Anm. 4
Leitsätze
1. Wenn die Ehefrau des Mieters einen Formularmietvertrag ohne weitere Erläuterungen als „selbstschuldnerische Bürgin“ mit unterschreibt, bleibt die verbürgte Hauptschuld unklar, da nicht hinreichend deutlich wird, in welchem Umfang sie für die diversen vom Mieter übernommenen Verpflichtungen haften will und soll.
2. Wird die Mietdauer dadurch verlängert, dass der Mieter ein ihm eingeräumtes Optionsrecht ausübt, haftet sein Bürge nicht für Verbindlichkeiten, die aus der Verlängerung der Mietzeit resultieren.
A. Problemstellung
1. Ist die Schriftform des § 766 BGB erfüllt, wenn die Ehefrau des Mieters in einem von diesem mit dem Vermieter abgeschlossenen Mietvertrag unter die Unterschrift des mietenden Ehemannes ihre eigene Unterschrift mit dem Zusatz setzt: „Selbstschuldnerische Bürgin Ehefrau“?
2. Haftet die Bürgin für Verbindlichkeiten des Mieters die während der fünfjährigen Optionszeit entstanden sind, wenn das Recht des Mieters zur Optionsausübung bereits im Ursprungsvertrag vereinbart war und daher keine nachträgliche Verlängerungsvereinbarung zwischen den Mietvertragsparteien darstellte?
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Zwischen Vermieter und Mieter war ein Vertrag abgeschlossen worden, in dem das Recht des Mieters enthalten war, die ursprüngliche Mietzeit von zehn Jahren um weitere fünf Jahre zu verlängern, wenn er dieses Optionsrecht spätestens sechs Monate vor Beendigung des laufenden Vertragszeit schriftlich gegenüber dem Vermieter erklärte. Der Mieter hat das Optionsrecht fristgemäß ausgeübt. Die Parteien streiten darüber, ob die Bürgin nicht nur für die Mietzeit von ursprünglich zehn Jahren haftet, sondern auch für Verbindlichkeiten des Mieters, die während der Optionszeit entstanden sind.
Das OLG Düsseldorf hat in dem hier besprochenen Beschluss Zweifel angemeldet, ob die Erklärung der Bürgin, die selbstschuldnerische Bürgschaft übernehmen zu wollen, die Schriftform des § 766 BGB erfüllt, da das Schriftformerfordernis für die Bürgschaftserklärung die Warnung des Bürgen vor der mit der Bürgschaft verbundenen strengen Haftung bezweckt.
Das zu übernehmende Risiko müsse in der Urkunde bezeichnet und so eingegrenzt sein, dass dem Bürgen bei Abgabe der Bürgschaftserklärung vor Augen geführt werde, welche Haftung er übernehme. Hier sei aber unklar, in welchem Umfang die Beklagte für die diversen von ihrem verstorbenen Ehemann mietvertraglich übernommenen Verpflichtungen haften will und soll.
Die Rechtsfrage bedürfe aber keiner abschließenden Klärung, denn auf jeden Fall scheitere die Klageforderung an § 767 Abs. 1 Satz 3 BGB, da die Haftung der Bürgin durch die Optionsausübung nachträglich erweitert worden sei.
Der Kernpunkt des Beschlusses liege also in der Frage, ob hier § 767 Abs. 1 Satz 3 BGB zum Schutze der Bürgin eingreife, weil ein Rechtsgeschäft vorliege, das der Hauptschuldner (hier der Mieter) nach der Übernahme der Bürgschaft mit dem Gläubiger der Bürgschaftsschuld (hier der Vermieter) abschließe. Das OLG Düsseldorf hat dazu – richtig – ausgeführt, dass die Ausübung der vertraglich eingeräumten Option durch eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung erfolge, die dem Vermieter gegenüber fristgemäß abzugeben sei, zieht daraus aber den falschen Schluss, dass damit die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Unwirksamkeit der Bürgschaftsverpflichtung während der Optionszeit folge. Der Gesetzestext spreche aber von einem (zweiseitigen) Rechtsgeschäft, das durch Angebot und Annahme zustande komme. Das Oberlandesgericht hat weiterhin – richtig – ausgeführt, dass diese gesetzliche Bestimmung den Bürgen vor einer späteren Erhöhung seiner Verpflichtung, der er nicht zugestimmt habe, schützen und verhindern soll, dass Gläubiger und Hauptschuldner durch eine nachträgliche Absprache das Haftungsrisiko des Bürgen in einer Weise verschärfen, die für ihn bei Abschluss des Bürgschaftsvertrages nicht erkennbar gewesen sei. Das Optionsrecht werde in einem Mietvertrag bereits bei Vertragsabschluss formuliert, so dass der Bürge von vornherein erkennen könne, dass er nicht nur zehn Jahre lang in der Haftung sei, sondern insgesamt 15 Jahre, wenn der Mieter sein Recht zur Vertragsverlängerung form- und fristgerecht ausübe.
C. Kontext der Entscheidung
1. Der Inhalt eines Vertrages ist nach § 157 BGB durch Auslegung zu ermitteln, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern. Die Auslegung des Vertrages hat auch stets Vorrang vor der AGB-Kontrolle (BGH in st. Rspr.: BGH, Urt. v. 20.01.2016 – VIII ZR 152/15 m.w.N.; BGH, Urt. v. 05.05.10 – III ZR 209/09 – NJW 2010, 2197 ). Durch den Zusatz „selbstschuldnerische Bürgin“ wird deutlich, dass die Ehefrau des Mieters nicht Mitmieterin werden wollte, sondern nur Mithaftende. Da die Erklärung unter dem Mietvertrag steht, aus dem sich die Namen des Gläubigers und des Schuldners der Hauptschuld ebenso ergeben, wie Umfang und Höhe der Verpflichtung, und da in Rechtsprechung und Schrifttum der Umfang einer Mietbürgschaft seit langem ausdiskutiert ist und feststeht, dass der Bürge für alle finanziellen Verpflichtungen aus dem Mietverhältnis ebenso wie für Schadensersatzansprüche und Kosten der Rechtsverfolgung haftet, steht der Umfang der Haftung der Bürgin mit hinreichender Deutlichkeit fest, sodass von einer Unklarheit nicht gesprochen werden kann. Mietbürgschaften werden nicht nur von Eheleuten der Mietvertragsparteien übernommen, sondern häufiger von Geschäftsführern der mietenden GmbHs oder von Vorstandsmitgliedern der Gesellschaften, weil Vermieter bei den Banken gelernt haben, die Kredite an die GmbH nicht ohne die persönliche Bürgschaft ihres Gesellschafters oder Geschäftsführers herauszugeben.
2. Die zweite Frage, ob der Bürge auch für die Verpflichtungen aus dem Mietverhältnis während der Dauer der Optionszeit haftet, wird von der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum eindeutig zustimmend beantwortet. Zwar gibt es dazu nur wenige Urteile, was aber wohl in erster Linie daran liegt, dass Bürgen vermutlich wenig Chancen sehen, ihre Inanspruchnahme als Bürgen durch einen Rechtsstreit verhindern zu können.
Eine Entscheidung des 15. Senats des OLG Düsseldorf vom 19.01.2005 (15 U 35/04, I-15 U 35/04) führt dazu aus, dass Mietforderungen, die nach der Vertragsverlängerung infolge Optionsausübung entstehen, aus der Sicht des Bürgen bei Erteilung der Bürgschaft in sein Haftungsrisiko fallen, dass nach Grund und Umfang eindeutig beschrieben ist. Der 24. Senat des OLG Düsseldorf setzt sich in der hier erörterten Entscheidung zwar mit diesem Urteil des 15. Senats auseinander, hält es aber gleichwohl für gerechtfertigt, von dieser Entscheidung abzuweichen, weil es sich nicht um die tragenden Erwägungen des Urteils handele. In diesem Fall aus dem Jahre 2005 hatten die Parteien nämlich zeitlich nach Abschluss des Bürgschaftsvertrages einen weiteren Nachtrag vereinbart, mit dem der Mieter zusätzliche Flächen zu einem höheren Mietzins anmietete, was selbstverständlich nicht zulasten des Bürgen ging. Aber gerade die Begründung dieses Urteils, dass es sich um neue Verbindlichkeiten handelte, die bei Erteilung der Bürgschaft und dem Abschluss des Hauptvertrages nicht als zukünftige Rechtsgeschäfte in die Verhandlungen einbezogen worden sind und deshalb von der Mietbürgschaft nicht umfasst werden, erlaubt es im Grunde nicht, über dieses Urteil einfach hinweg zu gehen. In der Literatur wird daher des Öfteren auf eine sehr alte Entscheidung des LG Gießen v. 19.10.1994 (!) – 1 S 376/94 – NJW-RR 1995, 586 = WuM 1994, 673) zurückgegriffen, in der ausgeführt wird, dass eine stillschweigende Verlängerung des Mietverhältnisses gemäß § 568 BGB a.F. (heute § 545 BGB) nicht zu einer Verlängerung der Pflichten aus der Bürgschaft führt, bei der aber in den Gründen ausgeführt wird, dass der Bürge nur für die Dauer der vereinbarten Mietzeit einschließlich einer bereits bei Bürgschaftsübernahme vorgesehenen Verlängerung und für die Zeit bis zur Beendigung einer fortgesetzten tatsächlichen Nutzung einstehen muss. In der Literatur wird überwiegend die Auffassung vertreten, dass der Bürge während der Zeit einer bereits im Mietvertrag vereinbarten Verlängerungsoption weiter haftet (Sternel, Mietrecht aktuell, 4. Aufl., III 215; Bub/Treier/von der Osten, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete,4. Aufl., III A 5152; Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts, 10. Aufl. Rn, 801; a.A. Sprau in: Palandt, BGB, 75. Aufl., § 767 Rn. 3, der § 767 Abs. 1 Satz 3 BGB auch auf einseitige Rechtsgeschäfte anwendet).
D. Auswirkungen für die Praxis
In der Praxis sollte man in Bürgschaftsverträgen sehr genau definieren, wofür der Bürge haftet und im Falle eines Optionsrechts des Mieters zur Verlängerung des Mietverhältnisses durch fristgerechte Optionsausübung ausdrücklich erwähnen, dass sich mit der Verlängerung des Mietverhältnisses auch die Haftung des Bürgen verlängert. Weiterhin ist es empfehlenswert, in die Bürgschaftsurkunde hineinzuschreiben, dass der Bürge für Verbindlichkeiten des Mieters aus dem angegebenen Mietvertrag für sämtliche Ansprüche aus dem Mietverhältnis und seiner Beendigung, wie beispielsweise Miete, Nebenkosten, Mehrwertsteuer, Kaution, Schadensersatzansprüche, Ansprüche auf Nutzungsentschädigung, Verzugszinsen, Kosten der Rechtsverfolgung und Zwangsvollstreckung haftet und dass die Bürgschaft unbefristet ist, soweit kein zeitlicher Rahmen vorgegeben ist. Außerdem, dass die Rechte aus der Bürgschaft auf einen Erwerber des Grundstücks oder bei einem Vermieterwechsel durch Gesetz oder Rechtsgeschäft auf die Person des neuen Vermieters übergehen.