Nachfolgend ein Beitrag vom 16.11.2017 von Börstinghaus, jurisPR-MietR 23/2017 Anm. 1
Orientierungssätze zur Anmerkung
1. Die Hessische Mietenbegrenzungsverordnung vom 17.11.2016 ist rechtmäßig und wirksam, da sie von der gesetzlichen Ermächtigung in § 556d Abs. 2 BGB gedeckt ist.
2. Die Hessische Mietbegrenzungsverordnung ist formell ordnungsgemäß von dem zuständigen Organ erlassen worden. Die Verordnung enthält die Begründung nach § 556d Abs. 2 Satz 5 BGB und die Information nach § 556d Abs. 2 Satz 7 BGB, welche Maßnahmen die hessische Landesregierung ergreifen wird, um der angespannten Wohnungsmarktlage abzuhelfen.
3. Dass die Verordnungsbegründung von der Landeregierung auch auf Nachfrage nicht veröffentlicht wird, ist unerheblich.
4. Zur Ermittlung der maximal zulässigen Wiedervermietungsmiete kann auch bei einem im Mai 2016 abgeschlossenen Mietvertrag auf die Werte des Frankfurter Mietspiegels 2014 als qualifiziertem Mietspiegel zurückgegriffen werden.
5. Ein Stichtagszuschlag ist in diesem Fall ebenso wenig hinzuzurechnen wie ein Zuschlag für die mitvermietete Einbauküche.
A. Problemstellung
Die „Mietpreisbremse“ ist bei den Amts- und Landgerichten angekommen! Dabei geht es neben der grundsätzlichen Frage, ob die Vorschriften verfassungsgemäß sind (LG Berlin, Beschl. v. 14.09.2017 – 67 S 149/17 – WuM 2017, 600; a.A. LG Berlin, Urt. v. 29.03.2017 – 65 S 424/16 – NZM 2017, 332) in letzter Zeit vor allem um die Frage, ob die Begründungen der Landesverordnungen den gesetzlichen Vorgaben entsprechen (AG Hamburg-St. Georg, Urt. v. 22.06.2017 – 913 C 2/17 – WuM 2017, 469 mit Anm. Börstinghaus, jurisPR-MietR 20/2017 Anm. 2; a.A. AG Hamburg-Altona, Urt. v. 23.05.2017 – 316 C 380/16 – ZMR 2017, 649; AG Hamburg-Altona, Urt. v. 09.10.2017 – 316 C 206/17; AG München, Urt. v. 21.06.2017 – 414 C 26570/16 – ZMR 2017, 655 m. Anm. Börstinghaus, jurisPR-MietR 14/2017 Anm. 4).
Das AG Frankfurt hat mit der vorliegenden Entscheidung eine ungewöhnliche Facette bei den Begründungen hinzugefügt.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Der Kläger ist seit dem 03.05.2016 Mieter einer Wohnung des Beklagten in Frankfurt. Die Miete beträgt 810 Euro, was einer Quadratmetermiete von 13,46 Euro entspricht. Am 31.10.2016 rügte der Kläger die Höhe der vereinbarten Nettokaltmiete unter Hinweis auf die Werte des Mietspiegels 2016. Im November 2016 forderte der Kläger den Beklagten zur Auskunft über diejenigen Tatsachen, die für die Zulässigkeit der vereinbarten Miete maßgeblich sind und zur Zahlung der durch den Kläger zu viel entrichteten Miete für den Monat November 2016 i.H.v. 80 Euro auf. Der Mieter ist der Ansicht, die Nettomiete für die Wohnung betrage 8,28 Euro. Der Beklagte hält die Vorschriften für verfassungswidrig und die Hessische Mietenbegrenzungsverordnung vom 17.11.2016 für rechtswidrig. Zudem sei der Frankfurter Mietspiegel 2014 nicht qualifiziert, da er gegen die anerkannten wissenschaftlichen Grundsätze der Mietspiegelerstellung verstoße. Für die in der Wohnung vorhandene Einbauküche sei ein Zuschlag i.H.v. 0,74 Euro zu berücksichtigen. Ein Zuschlag i.H.v. 0,30 Euro für das modernisierte Bad sei zuzubilligen. Hilfsweise sei ein Zuschlag von 0,30 Euro wegen der sog. Stichtagdifferenz zuzubilligen.
Das AG Frankfurt hält die Vorschriften der §§ 556d-g BGB für verfassungsgemäß, die Landesverordnung für rechtmäßig und der Frankfurter Mietspiegel für qualifiziert. Zuschläge für die Einbauküche und eine Stichtagsdifferenz will es aber nicht zubilligen.
1. Verfassungsmäßigkeit
Das AG Frankfurt ist der Auffassung, dass die Vorschriften formell und materiell verfassungsgemäß sind, insbesondere liege kein Verstoß gegen Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG vor. Danach darf eine Ermächtigung nicht so unbestimmt sein, dass nicht mehr vorausgesehen werden kann, in welchen Fällen und mit welcher Tendenz von ihr Gebrauch gemacht werden wird und welchen Inhalt die aufgrund der Ermächtigung erlassenen Verordnungen haben können. Gemessen daran seien Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen in dem Gesetz hinreichend deutlich bestimmt. Der Gesetzgeber sei auch nicht daran gehindert gewesen, unbestimmte Rechtsbegriffe wie „ausreichende Versorgung“, „angemessene Bedingungen“ oder „besondere Gefährdung“ – auch mehrere zugleich – zu verwenden, insbesondere, wenn sich der Regelungsgehalt der Norm im Wege der Auslegung der einschlägigen Bestimmung mit Hilfe der anerkannten Auslegungsmethoden feststellen lasse.
Auch ein Verstoß gegen Art. 14 GG liege nicht vor, weil der Eingriff gerechtfertigt sei. § 556d BGB stelle eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dar. Die Regelung diene einem legitimen Ziel, nämlich in Gebieten mit besonderer Gefährdungslage die Miethöhe zu dämpfen, um der direkten oder indirekten Verdrängung wirtschaftlich weniger leistungsfähiger Bevölkerungsgruppen, sowohl einkommensschwächerer Haushalte als auch Durchschnittsverdiener, entgegenzuwirken. Bei der Einschätzung der Frage der Geeignetheit verfüge der Gesetzgeber über einen weiten Beurteilungs- und Prognosespielraum. Es sei zumindest nicht ausgeschlossen, dass durch eine Dämpfung der Mieten einkommensschwächere Haushalte tatsächlich eine Chance erhalten, Wohnraum in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten zu finden.
§ 556d BGB verstoße auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 GG. Vermieter, die auf den in der Ermächtigung beschriebenen Märkten agieren, werden gleichbehandelt. Ungleichbehandlungen, sei es regionaler Art oder wegen der Ausnahmeregelungen nach §§ 556e Abs. 2, 556 f. BGB beruhen nach der Überzeugung des Gerichts auf einem sachlichen Grund.
2. Rechtmäßigkeit der Landesverordnung
Die Hessische Mietenbegrenzungsverordnung vom 17.11.2016 [richtig wohl 2015] ist nach Ansicht des AG Frankfurt rechtmäßig. Die Verordnung sei formell ordnungsgemäß von dem zuständigen Organ erlassen worden und enthalte die erforderliche Begründung nach § 556d Abs. 2 Satz 5 BGB und die Information nach § 556d Abs. 2 Satz 7 BGB, welche Maßnahmen die hessische Landesregierung ergreifen wird, um der angespannten Wohnungsmarktlage abzuhelfen. Nach Ansicht des Gerichts stehe dem Landesgesetzgeber ein weiter Beurteilungsspielraum zu, den er vorliegend auch nicht überschritten habe.
Soweit § 556d Abs. 2 Sätze 5 und 6 BGB eine Begründungspflicht für die Rechtsverordnung vorschrieben, sei diese in Hessen erfüllt. Die Landesregierung berufe sich in der Verordnungsbegründung zu ihrer Einschätzung auf das Sachverständigengutachten des Instituts Wohnen und Umwelt (IWU) vom 30.06.2015, das von der Landesregierung mit einer Untersuchung zur Feststellung von Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten im Land Hessen beauftragt worden sei. Das IWU habe in seiner Untersuchung auf die Daten der amtlichen hessischen Gemeindestatistik zum 31.12.2013, die Daten des Zensus 2011 und hinsichtlich der Angebotsmieten auf die Daten des Datenanbieters I zum Datenstichtag 15.02.2015 zurückgegriffen. Hinsichtlich des zu untersuchenden Zeitintervalls bezieht sich die Untersuchung auf den Zeitraum von 2008 bis 2013 für Daten der amtlichen Statistik sowie 2009 bis 2014 für Angebotsmietendaten (vgl. IWU-Gutachten vom 30.06.2015, S. 6 f., Bel. 256 ff. d. A.). Die Daten, auf deren Grundlage der Landesgesetzgeber das Vorliegen der angespannten Wohnungsmärkte festgestellt hat, sind zeitnah erhoben worden und nicht veraltet. Die Landesregierung treffe keine Pflicht, vor dem Erlass der Landesverordnung eine gründliche Untersuchung durch aktuelle Datensammlung vorzunehmen.
Die hessische Landesregierung habe sich auch im Übrigen an die materiellen Vorgaben der Ermächtigung in § 556d Abs. 2 Sätze 2 und 3 BGB gehalten und deren Erfüllung hinreichend begründet. Sie habe insbesondere der Verpflichtung aus § 556d Abs. 2 Satz 4 BGB gemäß der Verordnungsbegründung dargestellt, aufgrund welcher Tatsachen ein Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt vorliegt.
Das IWU habe die in § 556d Abs. 2 Satz 3 BGB genannten Indikatoren seiner Untersuchung der angespannten Wohnungsmärkte in Hessen zugrunde gelegt. Anhand des vorgenannten Datenmaterials hat es die Indikatoren präzisiert, deren Aussagekräftigkeit geprüft und die geeignete Schwellenwerte festgelegt. Als Ergebnis der Untersuchung seien fünf konkrete Teilbedingungen festgelegt worden, deren Erfüllung das Vorliegen eines angespannten Wohnungsmarkts indiziert:
1. Mittlere rechnerische Preissteigerungsrate der Angebotsbasismiete für eine Standardwohnung im Zeitraum 2009 bis 2014; Schwellenwert 3,0% jährlich und mehr;
2. Mittelwert der rechnerischen Angebotsmieten für eine Standardwohnung im Zeitraum 2009 bis 2014; Schwellenwert 7 Euro pro Quadratmeter und mehr;
3. Neubauintensität zwischen 2008 und 2013; Schwellenwert zwischen 0 und einer Wohneinheit bei positivem Bevölkerungszuwachs;
4. rechnerische Leerstandsrate 2013; Schwellenwert 3,0% und niedriger sowie
5. relatives Wohndefizit; Schwellenwert minus 3,0% und höher.
Dabei stellt der hessische Verordnungsgeber fest, dass die Indikatoren einzeln betrachtet nicht hinreichend sind, um das Vorliegen angespannter Wohnungsmärkte gesichert zu begründen. Erst im Zusammenspiel der verschiedenen, teilweise auf Niveaus (Leerstand, Mietbelastung), teilweise auf Prozesse (Mietpreissteigerung, Neubautätigkeit) abstellenden Indikatoren könne das Vorliegen der geforderten Voraussetzungen hinreichend genau konkretisiert werden. Die Auswahl der betroffenen Gemeinden beruhe daher auf der Erfüllung kumulativer Indikatoren: Es müssten mindestens vier von fünf Indikatoren bejaht werden. Auf diese Art und Weise sei der Landesgesetzgeber zunächst zu dem Schluss gekommen, dass in 33 hessischen Gemeinden ein angespannter Wohnungsmarkt vorliege. Nach Anhörung dieser Gemeinden seien 18 Gemeinden aus dem Geltungsbereich der Verordnung ausgeschlossen worden.
3. Die Qualifikation des Frankfurter Mietspiegels 2014
Die maßgebliche Wiedervermietungsmiete ermittelt das Gericht dann anhand des Frankfurter Mietspiegels 2014. Dieser Mietspiegel sei auch qualifiziert im Sinne des Gesetzes. Weiter aufgeklärt hat das Amtsgericht dies aber durch Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht, da seiner Meinung nach die Einwände des Vermieters nicht den von BGH vorgegebenen Anforderungen genügten. Von der Partei, die das Vorliegen eines qualifizierten Mietspiegels in Abrede stellt, sei zunächst zu verlangen, dass sie substantiierte Angriffe gegen den Mietspiegel vorbringt, sofern die Erstellung des Mietspiegels in allgemein zugänglichen Quellen dokumentiert ist. Über Informationen, die sich aus einer derartigen Dokumentation ergeben, könne sich die Partei, welche die Qualifizierung des Mietspiegels bestreitet, nicht mehr mit Nichtwissen erklären. Sie müsse sich vielmehr mit dem Inhalt der Dokumentation substantiiert auseinandersetzen, soweit dies ohne Fachkenntnisse – etwa auf dem Gebiet der Statistik – möglich sei. Die Rüge, der Mietspiegel beruhe teilweise auf einer Mieterbefragung, stelle keinen substantiierten Angriff gegen die wissenschaftliche Erstellung des Mietspiegels dar. Die weitere Rüge, für die Erstellung des Mietspiegels seien nur 758 Vermieter befragt worden. stelle ebenfalls keinen substantiierten Angriff gegen die wissenschaftliche Erstellung des Mietspiegels dar. Ein Mietspiegel halte anerkannte wissenschaftliche Grundsätze dann ein, wenn u.a. die Daten auf einer repräsentativen Datenerhebung beruhen. Für die Repräsentativität sei die Größe der Ergebnisstichprobe und ihr Verhältnis zur Bruttostichprobe (Ausschöpfung) entscheidend. Um den Ansprüchen der Repräsentativität zu genügen, dürften die Abweichungen zwischen Bruttostichprobe und Ergebnisstichprobe nicht zu groß sein. Vorliegend haben die Ersteller des Mietspiegels mehrere Stichproben bei der Datenerhebung gemacht und sie auf Plausibilität untersucht. Unter den 8.671 kontaktierten Mietern sind 5.175 Interviews durchgeführt worden. Mietspiegelrelevant sind 3.520 Interviews gewesen, die anderen Interviews waren dies nicht. Eine Ausschöpfung von 59,7% ist im gesamten Untersuchungsgebiet erreicht worden. Die Ausschöpfung ist hoch und genüge dem Anspruch der Repräsentativität. Die Befragung der Vermieter hätte nur der testweisen Überprüfung der Mieterangaben gedient. Es seien 1.480 Vermieter kontaktiert worden. 758 Vermieter hätten den Vermieter-Fragebogen zurückgeschickt, was eine Ausschöpfung von 51,2% darstellt. Dieses Vorgehen der Ersteller des Mietspiegels verstoße nicht gegen wissenschaftlich anerkannte Grundsätze.
4. Der Stichtagszuschlag
Ein Stichtagszuschlag von 0,30 Euro hält das Gericht für nicht gerechtfertigt. Es liege keine ungewöhnliche Steigerung der ortsüblichen Vergleichsmiete vor. Eine solche sei gemäß § 287 Abs. 2 ZPO durch Interpolation zwischen dem Frankfurter Mietspiegel 2014 und dem Mietspiegel 2016 zu ermitteln. Zwischen den Erhebungszeitpunkten Mietspiegel 2014 und 2016 habe keine ungewöhnliche Mietpreisentwicklung stattgefunden. Sie habe lediglich 1,8% betragen. In dem vorliegenden Zeitraum von 26 Monaten von April 2013 bis Mai 2016 beträgt die Steigerung knapp 1,75%. Diese marginale Steigerung rechtfertige keinen Zuschlag von 0,30 Euro.
5. Der Zuschlag für die Einbauküche
Schließlich sei auch ein Zuschlag von 0,74 Euro für eine Einbauküche nicht zuzubilligen gewesen, weil er von dem Frankfurter Mietspiegel 2014 grundsätzlich nicht zugesprochen werde. Soweit der Frankfurter Mietspiegel einen Zuschlag für eine „integrierte Küche“ vorsehe, könne dieser hier nicht herangezogen werden, da er nur gewährt werde, wenn es sich um ein Appartement oder eine Zwei-Zimmer-Wohnung mit integrierter Küche handelt, d.h. der Küchenbereich Teil eines Wohnraums sei.
C. Kontext der Entscheidung
Die Entscheidung überrascht mindestens in einem Punkt und in anderen Punkten überzeugt sie nicht so richtig.
1. Wirksamkeit der Verordnung
Überraschend ist die Entscheidung zumindest, was die Wirksamkeit der Hessischen Mietpreissenkungsverordnung angeht. Das Gericht prüft eine Verordnungsbegründung und verweist auch mehrfach auf diese, die schlicht und ergreifend geheim ist und wohl auch erst nachträglich erstellt wurde.
a) Der Verordnungstext der Hessischen Mietenbegrenzungsverordnung ist im Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Hessen 2015, Nr. 26, S. 397 veröffentlicht. Die Verordnung ist am 27.11.2015 in Kraft getreten und beinhaltet 16 Städte in Hessen. Als einziges Bundesland hat Hessen in einigen Städten, so auch in Frankfurt, einzelne Stadtteile ausgenommen.
b) Der Verfasser hatte im März 2016 beim zuständigen Hessischen Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz um Übersendung der Begründung oder Angabe einer Fundstelle gebeten. Ihm war am 14.04.2016 mitgeteilt worden:
„Verordnungsbegründungen sind dagegen in Hessen grundsätzlich nicht für die Öffentlichkeit zugänglich; sie haben – anders als Gesetze – auch keine Drucksachen-Nr. o.ä.. Ich bitte daher um Verständnis, dass ich Ihrer Bitte nicht nachkommen kann.“
c) Nun könnte man meinen, dass zumindest nach April 2016 die Begründung veröffentlicht worden ist. Aber auch das ist nicht der Fall. Noch am 30.10.2016 schrieb das Hessische Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz:
„… in Hessen sind Verordnungsbegründungen grundsätzlich nicht für die Öffentlichkeit zugänglich. Daher wurde auch die Begründung zur Hessischen Mietenbegrenzungsverordnung nicht veröffentlicht.“
Das lässt den Leser der Entscheidung des AG Frankfurt etwas ratlos zurück.
d) Wie kann eine geheime Begründung zum einen einem gesetzlichen Begründungszwang genügen und wie kann das Amtsgericht diese geheime Begründung überhaupt verwerten und dann in einer zur Veröffentlichung bestimmten Entscheidung seine eigene Begründung damit stützen und auf diese immer verweisen? Der Gesetzgeber wollte mit dem Begründungszwang die Länder dafür sensibilisieren, mit der Aufnahme von Gemeinden anders als bei der Kappungsgrenzensenkungsverordnung zurückhaltend umzugehen. Deshalb hat er den Kriterienkatalog in § 556d Abs. 2 BGB zusätzlich eingeführt und den Begründungszwang eingeführt. Richtig an der Ansicht der Hessischen Verbraucherschützer (!) ist, dass Verordnungen nach Art. 80 GG nicht begründet werden müssen. Das gilt auch für Gesetze. Nur hat der Gesetzgeber dies hier in § 556d Abs. 2 Satz 6 BGB nun einmal ausdrücklich vorgeschrieben. Deshalb gehört die Begründung zu den Wirksamkeitsvoraussetzungen der Verordnung. Unter Begründung versteht man die Mitteilung der wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe einer Entscheidung. § 556d Abs. 4 Satz 6 BGB verlangt deshalb vom Verordnungsgeber dementsprechend ausdrücklich anzugeben, aufgrund welcher Tatsachen ein Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt vorliegt (so AG Hamburg-Altona, Urt. v. 23.05.2017 – 316 C 380/16 – ZMR 2017, 649). Es ist erklärtermaßen Zweck der Begründungspflicht, die Entscheidungen der Landesregierungen nachvollziehbar zu machen, insbesondere im Hinblick darauf, aufgrund welcher Tatsachen die Gebiete bestimmt wurden und welche Begleitmaßnahmen geplant sind, um die Anspannung der Wohnungsmärkte zu beseitigen. Eine Begründung muss die Überlegungen des Urhebers eines Rechtsakts so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, dass die Betroffenen ihr die Gründe für die getroffene Maßnahme entnehmen können (EuGH, Urt. v. 16.06.2015 – C-62/14 „Gauweiler“, zit. nach BVerfG, Urt. v. 21.06.2016 – 2 BvE 13/13). Eine geheime Begründung kann keine dieser Zwecke erfüllen.
e) Der Adressat einer Verordnung muss doch ihre Wirksamkeit zum Zeitpunkt seines Handelns beurteilen. Es muss also für Vermieter und Mieter bei Abschluss des Mietvertrages überprüfbar sein, ob die Wiedervermietungsmiete begrenzt ist oder nicht. Dazu muss zu diesem Zeitpunkt die Begründung vorliegen, da sie Wirksamkeitsvoraussetzung ist. Bei einer nicht veröffentlichten Begründung weiß man zum einen nicht, ob es sie überhaupt gibt und zum anderen, ob ihr Inhalt den gesetzlichen Vorgaben entspricht. Eine nachträgliche Begründung heilt den ursprünglichen Mangel nicht (AG Hamburg-Altona, Urt. v. 09.10.2017 – 316 C 206/17). Die Begründung der Verordnung ist hier ausnahmsweise Wirksamkeitsvoraussetzung. Leidet die Rechtsverordnung in einem solchen Fall an einem Begründungsmangel, dann ist sie von Anfang an rechtswidrig und damit unwirksam. Eine – nachträgliche – Heilung eines solchen Begründungsmangels ist nicht möglich (AG Hamburg-Altona, Urt. v. 09.10.2017 – 316 C 206/17). Es würde sich ja um eine Rückwirkung der Verordnung handeln, Mietpreisabreden, die erst wirksam waren, weil es keine wirksame Verordnung gab, würden nachträglich teilunwirksam. Also sollte die Begründung – wann auch immer – nachträglich veröffentlicht worden sein, ändert das an der Unwirksamkeit der Verordnung nichts.
f) Ob die Begründung deshalb inhaltlich überhaupt richtig ist, kann von außen nicht ansatzweise beurteilt werden. Darauf kommt es aber wegen der zuvor geschilderten Mängel auch nicht an.
2. Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete
Das AG Frankfurt hat die maximal zulässige ortsübliche Vergleichsmiete für Mai 2016 mit den Werten des Frankfurter Mietspiegels 2014 begründet, der auf Daten von April 2013 beruhte. Die Daten waren also zum Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses über drei Jahre alt. Nach den öffentlichen Werten haben sich die Neuvertragsmieten in Frankfurt in diesem Zeitraum um ca. 11,3% erhöht. Auch wenn der Begriff der ortsüblichen Vergleichsmiete etwas anderes ist als die Neuvertragsmiete, hätte es zumindest nahegelegen zu hinterfragen, warum bei einer Steigerung von unter 2% in zwei Jahren in Frankfurt überhaupt eine Beschränkung der Wiedervermietungsmiete erforderlich sein soll. Auch die Werte des IWU-Gutachtens besagen wohl genau das Gegenteil. Dass der Frankfurter Mietspiegel wahrscheinlich aus politischen Gründen seit Jahrzehnten etwas anderes vor„spiegelt“, ändert aber an der tatsächlichen Entwicklung nichts. Wenn man in Frankfurt keinen Streit wie in Berlin über die Qualifikation des Mietspiegels will (Börstinghaus, NJW 2015, 3200) und deshalb die Qualität des Mietspiegels gar nicht erst untersuchen lässt, dann sollte man zumindest im Rahmen der sog. Mietpreisbremse mit einem ehrlichen Stichtagszuschlag eine wenig Realität zurück ins System bringen.
Das gilt auch für den versagten Zuschlag für die Einbauküche. Eine Wohnung mit einer solchen Küche ist nun einmal etwas anderes als eine solche ohne einen solchen Zuschlag. Man muss auch bei der Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete Gleiches miteinander vergleichen, d.h. möblierte Wohnungen mit möblierten Wohnungen und unmöblierte Wohnungen mit unmöblierten Wohnungen.
Die Frage, die man sich jetzt im Zusammenhang mit der Diskussion über die Mietspreisbremse stellen muss, ist nur die, ob eine möblierte Wohnung letztendlich ganz etwas anderes ist, also ein aliud, oder ist sie eine unmöblierte Wohnung mit Möbeln. Die Antwort auf diese Frage entscheidet dann über den Weg, wie die ortsübliche Vergleichsmiete für möblierte Wohnungen zu ermitteln ist (Börstinghaus, WuM 2017, 549). Es wird sicher Städte geben, in denen ein eigener Wohnungsteilmarkt für möblierte Wohnungen existiert. Das kann sicher auch in Frankfurt mit seinen vielen Mitarbeitern aus dem Ausland der Fall sein, die gar keine unmöblierte Wohnung suchen. Hierzu dürfte aber allein das Vorhandensein einer Einbauküche noch nicht ausreichen. Hier ist nach wohl herrschender Meinung ein Zuschlag der den Wert der Gebrauchsmöglichkeit für den Mieter widerspiegeln soll zur ortsüblichen Vergleichsmiete für die Raumüberlassung hinzuzurechnen. Dabei ist vom Zeitwert der überlassenen Möbel auszugehen. Dieser Wert muss verzinst werden und es ist eine angemessene Abschreibung zu berücksichtigen. Insofern ist der Ausgangswert, auf den die 10% des § 556d Abs. 1 BGB hinzuzurechnen sind, in doppelter Hinsicht wohl zu niedrig.
D. Auswirkungen für die Praxis
Die amtsgerichtlichen Verfahren zur „Mietpreisbremse“ kommen jetzt langsam bei den Landgerichten an. Auch gegen die vorliegende Entscheidung ist Berufung eingelegt worden (AZ: LG Frankfurt, 2-11 S 183/17). Genau wie in Hamburg und München werden da erst die weiteren Weichen für die jeweiligen Städte gestellt werden. Wahrscheinlich wird der VIII. Senat des BGH aber die großen Probleme wieder zu klären haben. Bis dahin gilt es durch umfassenden Sachvortrag im erstinstanzlichen Verfahren auf alles vorbereitet zu sein.
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