Nachfolgend ein Beitrag vom 20.4.2017 von Bueb, jurisPR-MietR 8/2017 Anm. 4

Leitsatz

Eine in einem Mietvertrag über Gewerberäume enthaltene sog. doppelte Schriftformklausel kann im Falle ihrer formularmäßigen Vereinbarung wegen des Vorrangs der Individualvereinbarung nach § 305b BGB eine mündliche oder auch konkludente Änderung der Vertragsabreden nicht ausschließen.

A. Problemstellung

Der BGH hatte sich mit der Frage zu befassen, ob ein zeitlich befristeter Gewerbemietvertrag, welcher vertraglich der Schriftform unterworfen ist, in seinem Zweck ohne Beachtung der Schriftform abgeändert werden kann, ohne dass der Mietvertrag durch die formlose Änderung als auf unbestimmte Zeit geschlossen gilt. Diese Folge könnte eintreten, wenn die vereinbarte sog. doppelte Schriftformklausel im Gewerbemietvertrag wirksam wäre und es infolgedessen an einem Schriftformverstoß nach § 550 BGB fehle.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Die Klägerin als Vermieterin kündigte der Beklagten ordentlich den Gewerbemietvertrag und nahm diese auf Räumung und Herausgabe der gemieteten Gewerberäume in Anspruch. Die ursprüngliche Vermieterin schloss im Dezember 2005 und Mai 2006 mit dem Vormieter zwei gewerbliche Mietverträge ab. Als Vertragszweck darin war jeweils in § 1 der Verträge genannt:
„Lagerung und Verkauf von Stoffen und Kurzwaren“ bzw. „Lagerung und Verkauf von Stoffen, Kurzwaren, Textilien und Baumaschinen“. Beide Verträge beinhalteten außerdem als Allgemeine Geschäftsbedingungen Schriftformheilungsklauseln und doppelte Schriftformklauseln.
Mit Schreiben vom 25.07.2006 bestätigte die Vorvermieterin dem Vormieter, dass ihm auch das „Lagern von handelsüblichen Waren“ gestattet sei, ohne dies in einem schriftlichen Nachtrag zum Mietvertrag zu fixieren. In einem Schreiben vom 18.07.2007 wies die Vorvermieterin den Vormieter darauf hin, dass „der Bereich Ihres Getränkeausschanks (…) nun den hinteren Eingang (…) als Verkaufsfläche“ nutze.
Am 01.10.2008 trat der jetzige Beklagte als neuer Mieter in die Mietverträge ein. Nachdem die jetzige Klägerin die Räume erworben hatte, schlossen sie und der Beklagte am 04.11.2014 einen schriftlichen Nachtrag zum Mietvertrag, in welchem eine bestimmte Laufzeit des Mietverhältnisses bis zum 31.12.2016 vereinbart wurde. Mit Schreiben vom 09.02.2015 erklärte die Klägerin die fristlose Kündigung und hilfsweise die fristgerechte Kündigung zum nächstmöglichen Zeitpunkt.
Das LG Berlin hatte dem Räumungsbegehren aufgrund der fristlosen Kündigung stattgegeben. Die Berufung des Beklagten blieb ohne Erfolg, wobei das Kammergericht nicht die außerordentliche, sondern die ordentliche Kündigung für wirksam erachtet hatte. Der Beklagte verfolgte mit der zugelassenen Revision sein Klageabweisungsbegehren weiter.
Vor dem BGH hatten die Revisionsrügen des Beklagten ebenfalls keinen Erfolg.
Auch der BGH schloss sich der Ansicht des Berufungsgerichtes an, dass die ordentliche Kündigung des eigentlich befristeten Mietverhältnisses wegen Verstoß gegen das Formerfordernis des § 550 BGB wirksam gewesen sei und dass die im Vertrag vereinbarte, aber unwirksame doppelte Schriftformklausel hieran nichts ändere.
Das Berufungsgericht hatte seine Entscheidung damit begründet, dass das Mietverhältnis durch die ordentliche Kündigung der Klägerin vom 09.02.2015 beendet sei. Wegen der im Nachtrag zwischen den Parteien erfolgten Befristung habe sich das Schriftformerfordernis des § 550 BGB auf den gesamten Vertragsinhalt bezogen. Die Vorparteien änderten jedoch im Juli 2006 den Zweck des Mietvertrages, ohne die Schriftform des § 550 BGB einzuhalten, so dass der Vertrag dadurch als auf unbestimmte Zeit geschlossen gelte. Diese Vertragsänderung sei auch wirksam gewesen, ihr stehe die im Vertrag vereinbarte doppelte Schriftformklausel nicht entgegen, denn diese sei wegen Verstoßes gegen § 305b BGB wirkungslos. Die Klägerin sei auch durch die Schriftformheilungsklausel nicht gehindert, sich auf die Nichteinhaltung der Schriftform zu berufen. Denn eine solche Klausel binde den Erwerber jedenfalls nicht.
Der BGH schloss sich dieser Ansicht an, da die Änderung des Nutzungszweckes vertragswesentlich und daher dem Schriftformerfordernis unterworfen gewesen sei (Schweitzer in; Ghassemi-Tabar/Guhling/Weitemeyer, Gewerberaummiete, § 550 BGB Rn. 43).
Auch die Revisionsrüge des Beklagten, die Klägerin sei nach den Grundsätzen von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB an der Berufung auf den Schriftformverstoß gehindert gewesen, blieb ohne Erfolg. Der BGH erklärte, dass dies mit dem in § 550 BGB angestrebten Erwerberschutz nicht vereinbar sei (BGH, Urt. v. 22.01.2014 – XII ZR 68/10 – NJW 2014, 1087 und BGH, Urt. v. 30.04.2014 – XII ZR 146/12 – NJW 2014, 2102; kritisch hierzu Bieber, jurisPR-MietR 2/2016 Anm. 2 und Bieber, Grundeigentum 2016, 944, 945).
Schließlich hatte auch die Revisionsrüge, die den Nutzungszweck erweiternde, in nicht schriftlicher Form erfolgte Vertragsänderung sei wegen der sog. doppelten Schriftformklausel unwirksam, so dass es am Schriftformverstoß nach § 550 BGB fehle, keinen Erfolg.
Tatsächlich werde die Rechtsfrage, ob eine doppelte Schriftformklausel im Falle ihrer formularmäßigen Vereinbarung eine mündliche oder konkludente Vertragsänderung ausschließen könne, unterschiedlich beantwortet: Überwiegend werde jedoch die Ansicht vertreten, dass eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbarte doppelte Schriftformklausel wegen Verstoßes gegen § 307 BGB unwirksam sei, weil sie den nach § 305b BGB unzutreffenden Eindruck erwecke, eine Vertragsänderung sei nur schriftlich möglich (OLG München, Urt. v. 07.04.2016 – 23 U 3162/15, Schweitzer in: Ghassemi-Tabar/Guhling/Weitemeyer, Gewerberaummiete, § 550 BGB Rn. 106 m.w.N.).
In vorliegendem Fall könne dieser Streitpunkt jedoch dahingestellt sein, denn die Klausel bleibe jedenfalls wegen des Vorrangs der Individualvereinbarung nach § 305b BGB wirkungslos (so auch OLG Hamm, Urt. v. 21.04.2016 – 18 U 17/14; Bub in: Bub/Treier Handbuch der Geschäfts – und Wohnraummiete, 4. Aufl., Kap. II Rn. 1788). Für eine einfache Schriftformklausel in einem Formularmietvertrag habe der BGH dies bereits entschieden (BGH, Urt. v. 21.09.2005 – XII ZR 312/02 – BGHZ 164, 133 = NJW 2006, 138 m.w.N.).
Der Vorrang der Individualvereinbarung müsse auch bei doppelter Schriftformklausel gewahrt bleiben. Dies folge aus Sinn und Zweck des § 305b BGB, wonach vertragliche Vereinbarungen, die die Parteien für den Einzelfall getroffen haben, nicht durch davon abweichende Allgemeine Geschäftsbedingungen ausgehöhlt oder teilweise zunichte gemacht werden könnten. Allgemeine Geschäftsbedingungen sollten nur insoweit Geltung beanspruchen, als die von den Parteien getroffene Individualvereinbarung dafür Raum lasse (BGH, Urt. v. 21.09.2005 – XII ZR 312/02 – NJW 2006, 138, 139).
Der Schriftformverstoß sei daher zu bejahen, so dass das Mietverhältnis zwischen den Parteien als auf unbestimmte Zeit geschlossen gelte und durch die ordentliche Kündigung vom 09.02.2015 mit Ablauf des 31.12.2015 beendet werden konnte.

C. Kontext der Entscheidung

Es gibt inzwischen eine fast unüberschaubare Rechtsprechung zu Schriftformklauseln bzw. doppelten Schriftformklauseln in Verträgen mit Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Meist werden die doppelten Schriftformklauseln wegen des Verstoßes gegen die §§ 305b, 307 BGB als wirkungslos angesehen.
Welche Auswirkungen dies jedoch für die Laufzeit der Gewerbemietverträge hat, ist je nach Einzelfall unterschiedlich.
Eine andere Auffassung hingegen meint, dass eine doppelte Schriftformklausel eine mündliche oder auch konkludente Änderung der Vertragsabreden ausschließen kann.
Dies wird begründet mit dem Hinweis auf die Interessenlagen der Vertragsparteien in der Gewerberaummiete und darauf, dass ansonsten die Vereinbarung über die Einhaltung der Schriftform für Vertragsänderungen ihren Sinn verlieren würde (KG Berlin, Beschl. v. 06.05.2014 – 1 W 229/14 – Grundeigentum 2014, 799, 800; Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts, 10. Aufl., Rn. 157 f.).
Die überwiegende Ansicht jedoch, der sich in der Entscheidung auch der BGH angeschlossen hat, erscheint plausibler, da eine doppelte Schriftformklausel den Eindruck erweckt, eine Änderungsvereinbarung sei nur schriftlich möglich, was unzutreffend ist. Daher wird die doppelte Schriftformklausel in Verträgen mit Allgemeinen Geschäftsbedingungen in der Rechtsprechung meist wegen des Verstoßes gegen § 307 BGB für unwirksam erklärt. Die Entscheidung des BGH thematisiert diesen Meinungsstreit und schließt sich der überwiegenden Ansicht an. Für die Entscheidung selbst hatte der Meinungsstreit jedoch keine Auswirkungen.

D. Auswirkungen für die Praxis

Die Schriftformklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen bei Gewerbemietverträgen sind zwar im Grundsatz durchaus sinnvoll, den Verwendern muss jedoch bewusst sein, dass diese eine mündliche oder konkludent geschlossene Vertragsänderung nicht ausschließen kann.
Sofern die Parteien jedoch vertragswesentliche Punkte in einem Gewerbemietvertrag ohne die Einhaltung der Schriftform ändern, kann dies trotz einer möglichen unwirksamen doppelten Schriftformklausel dazu führen, dass ein langfristig geschlossener Vertrag plötzlich zu einem unbefristeten Mietverhältnis wird und ordentlich gekündigt werden kann. Es ist daher für die Partei eines Gewerbemietvertrages, die ein Interesse an einer langen Laufzeit des Vertrages hat, sinnvoll, alle Vertragsänderungen als Nachtrag zum Mietvertrag schriftlich und in der richtigen Form abzuschließen.
Lediglich ergänzend muss darauf hingewiesen werden, dass eine doppelte Schriftformklausel die Wahrung der Schriftform nach § 550 BGB nicht stets gewährleisten kann. Zum einen kann eine Änderungsvereinbarung nach § 127 BGB der vertraglichen Form – und damit dem doppelten Schriftformerfordernis – genügen, ohne jedoch der von § 550 BGB geforderten Schriftform zu entsprechen. Zum anderen kann ein Schriftformverstoß nach § 550 BGB trotz Wahrung der gesetzlichen Schriftform etwa darin begründet sein, dass mangels ausreichender Bezugnahme der Vertrag insgesamt nicht mehr den Anforderungen des § 550 BGB entspricht (Schweitzer in: Ghassemi-Tabar/Guhling/Weitemeyer, Gewerberaummiete, § 550 BGB, Rn. 106).