Nachfolgend ein Beitrag vom 16.6.2016 von Pfeifer, jurisPR-MietR 12/2016 Anm. 1

Leitsätze

1. Zur formellen Ordnungsgemäßheit einer Betriebskostenabrechnung genügt es hinsichtlich der Angabe der „Gesamtkosten“, wenn der Vermieter bei der jeweiligen Betriebskostenart den Gesamtbetrag angibt, den er auf die Wohnungsmieter der gewählten Abrechnungseinheit umlegt.
2. Dies gilt auch dann, wenn der Vermieter diesen Gesamtbetrag vorab um nicht auf den Mieter umlagefähige Kostenanteile bereinigt hat; einer Angabe und Erläuterung der zum angesetzten Gesamtbetrag führenden Rechenschritte bedarf es nicht (Aufgabe der Senatsrechtsprechung; vgl. Senatsurteile v. 14.02.2007 – VIII ZR 1/06 Rn. 10 – NJW 2007, 1059; und v. 09.10.2013 – VIII ZR 22/13 Rn. 14 ff. m.w.N. – WuM 2013, 734).

Orientierungssatz zur Anmerkung

Der BGH hat in Abänderung seiner bisherigen Rechtsprechung die formellen Anforderungen verringert und entschieden, dass eine Betriebskostenabrechnung auch dann formell wirksam ist, wenn nur der Gesamtbetrag angegeben ist, ohne vorgenommene Rechenschritte anzugeben.

A. Problemstellung

Der BGH hat sich mit der Frage befasst, ob eine Betriebskostenabrechnung formell wirksam ist, auch wenn einzelne Rechenschritte nicht offengelegt werden und zwar:
1. beim Aufteilen von Gesamtkosten eines Wohnkomplexes auf die einzelnen Häuser und
2. beim Vorwegabzug nicht umlegbarer Kosten, z.B. Verwaltungskosten oder Kosten infolge von teilgewerblicher Nutzung.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Die Klägerin ist Eigentümerin und Vermieterin einer aus mehreren Gebäuden bestehenden Wohnanlage. Die Beklagten haben in dem zu diesem Komplex gehörenden Gebäude eine Wohnung gemietet. Die Klägerin rechnete die Nebenkosten gegenüber den Mietern jeweils nach Gebäuden ab. Bei den Nebenkostenpositionen Wasser, Abwasser und Müllabfuhr besteht die Besonderheit, dass die gesamte Anlage über einen zentralen Müllplatz und zwei Heizstationen mit zentraler Warmwasseraufbereitung verfügt, die jeweils die anderen Häuser mitversorgen. Bei den genannten Positionen verteilte die auf Betriebskostennachzahlung klagende Vermieterin zunächst die Gesamtkosten für die Wohnanlage nach dem Verhältnis der Wohnfläche auf die einzelnen Häuser. Dieser Rechenschritt war allerdings aus den Abrechnungen nicht ersichtlich. Der für das jeweilige Haus errechnete „Gesamtbetrag“ wurde dann auf die Mieter des jeweiligen Hauses mittels des dort gültigen Schlüssels verteilt.
Das Amtsgericht hatte die Klage abgewiesen. Das Landgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Die Abrechnung betreffend Wasser, Abwasser und Müllabfuhr sei formell unwirksam, da die verteilenden Rechenschritte nicht offengelegt waren.
Der BGH hat auf die Revision der Klägerin das Urteil des Landgerichts aufgehoben und die Sache zurückverwiesen.
Die Entscheidung ist in drei sich teilweise überschneidende Aspekte gegliedert:
(a) Zum einen die Frage, inwieweit die dem einzelnen Mieter zugehende Abrechnung bei Gebäudekomplexen die Kosten für den gesamten Komplex enthalten muss, oder ob es ausreicht, nur die Betriebskosten für das jeweils einzelne Haus anzugeben (Leitsatz 1).
(b) Sodann befasst sich die Entscheidung mit dem Berechnen der auf das jeweils einzelne Haus entfallenden Kosten, anders gesagt, in welchen Rechenschritten aus den „Kosten Gesamtkomplex“ die „Kosten jeweilig einzelnes Haus“ ermittelt werden, und ob diese Rechenschritte, kurzum die Aufschlüsselung auf das einzelne Gebäude, dem Mieter in seiner Abrechnung mitzuteilen sind (Leitsatz 2).
(c) Eine ausführliche Erklärung der „neuen“ Rechtsauffassung, sowie die Begründung, warum die bisherige Rechtsprechung aufgegeben wird.
Zu (a): Hier stellt der BGH jetzt unter Abkehr von seiner bisherigen Auffassung klar, dass es zur formellen Ordnungsgemäßheit einer Betriebskostenabrechnung genüge, wenn der Vermieter bei der jeweiligen Betriebskostenart den Gesamtbetrag angebe, den er auf die Wohnungsmieter des konkreten Hauses umlege.
Zu (b): Die im Sinne von Leitsatz 1 entschärften formellen Anforderungen gelten zunächst in gestaffelten Abrechnungseinheiten (Gebäudekomplexen). Sie gelten aber auch für den Vorwegabzug von nicht auf Wohnraummieter umlegbaren Positionen, z.B. Verwaltungskosten.
Die verringerten formellen Anforderungen gelten ausdrücklich auch für den Vorwegabzug bei gewerblicher Nutzung einzelner Einheiten, sprich teilgewerblicher Nutzung (vgl. II. 3c der Urteilsgründe).
Zu (c): Detailreich, feinschrittig und mit etlichen Verweisen auf frühere Judikate rechtfertigt der BGH diesen Schwenk seiner Rechtsauffassung. Denn, so der BGH, er habe zwischenzeitlich mehrfach betont, dass an die Abrechnung in formeller Hinsicht keine zu hohen Anforderungen zu stellen seien. So habe man, wenn beispielsweise ein Hausmeister teils umlagefähige Arbeiten ausführe und teils nicht umlagefähige, die Nichtvornahme eines gebotenen Vorwegabzugs für einzelne gewerbliche Einheiten als materiellen Fehler eingeordnet.
Ebenso verlange eine formell ordnungsgemäße Abrechnung nicht, die Zwischenschritte offenzulegen, mit denen der Vermieter aus kalenderjahresübergreifenden Abrechnungen eines Versorgers die auf das abzurechnende Kalenderjahr entfallenden Betriebskosten ermittele. Und: Ohnehin könne der Mieter aus der Abrechnung regelmäßig nicht alle Rechenschritte ablesen, die erforderlich waren.
Im Sinne eines angemessenen Interessenausgleichs zwischen Mieter und Vermieter dürfe die Abrechnung auch nicht überfrachtet werden.
Schließlich sei der Mieter an einer möglichst übersichtlichen Abrechnung interessiert, die keine Details ohne wesentlichen Erkenntniswert enthalte. Typischerweise gehe es ihm um eine übersichtliche Kostenaufstellung, aus welcher er den auf ihn entfallenden Anteil erkennen könne. Es genüge daher, bei der jeweiligen Betriebskostenart den Gesamtbetrag anzugeben, der auf die Mieter des Hauses umgelegt werde. Entsprechendes gelte für den Vorwegabzug bei gewerblicher Nutzung einzelner Einheiten. Ob der vorgenannte Gesamtbetrag zutreffend ermittelt sei oder ob nicht umlegbare Kostenanteile angesetzt würden, betreffe ausschließlich die materielle Richtigkeit. Diese könne der Mieter im Rahmen der Belegeinsicht weiter überprüfen.

C. Kontext der Entscheidung

Der BGH, die Instanzgerichte sowie das Schrifttum hatten verlangt, dass die Rechenschritte einer Vorverteilung bei untergliederten Abrechnungseinheiten aus der Abrechnung ersichtlich sein müssten (vgl. M. Schmid, Handbuch der Mietnebenkosten, 14. Aufl. Rn. 3241 ff. m. zahlreichen Nachweisen).
Weiter musste eine formell wirksame Abrechnung bislang erkennen lassen, welche nicht auf den Wohnraummieter umlegbaren Kostenanteile, z.B. betreffend die Verwaltungsarbeit des Hauswarts, aus den Gesamtkosten herauszurechnen seien. Die neue Rechtsansicht des BGH macht die bislang in dieser Frage ergangene Judikatur nur auf den ersten Blick obsolet. Tatsächlich ist es jedoch so, dass die genannten Rechenschritte weiterhin vorzunehmen sind. Die Information für den Mieter, wie sich die Kosten für einen Gesamtkomplex auf das einzelne Haus herunterrechnen und was an nicht-umlegbaren Kosten herausgerechnet wurde, wird lediglich vom Zeitpunkt des Erteilens der Abrechnung auf einen späteren Zeitpunkt verschoben: Wenn nämlich der Mieter im Rahmen des § 556 Abs. 3 Satz 3 BGB Einwendungen erhebt und anlässlich der Belegeinsicht nachfragt.
Anders gesagt: Der Arbeitsaufwand bleibt gleich, er wird nur zeitlich gestreckt. Im Zweifel erhält der Mieter Klarheit erst im Rahmen der Belegeinsicht und Kontrolle. Die eigentliche Abrechnung leistet dies nicht mehr; sie wird zur – freilich vom BGH abgesegneten – Alibi-Abrechnung (zum Begriff: LG Bonn, Urt. v. 08.01.2015 – 6 S 138/14 – WuM 2015, 358).

D. Auswirkungen für die Praxis

Vermieter größerer Einheiten sowie zahlreiche professionelle Verwalter hatten sich in der Vergangenheit mit den Anforderungen der bisherigen Rechtsprechung arrangiert. Die Computerprogramme wurden entsprechend konfiguriert und vielfach wurden die Abrechnungen im Hinblick auf Lesbarkeit und Verständlichkeit nach und nach optimiert. Daher sollte die vom BGH aktuell auf den Weg gebrachte Lockerung der Abrechnungs-Obliegenheiten gerade keinen Anlass geben, eingespielte Abrechnungsmodi ohne Not aufzugeben. Enthält nämlich eine den bisherigen Anforderungen entsprechende und durch klaren Aufbau charakterisierte Abrechnung die angesprochenen Rechenschritte, dann ist sie im Regelfall aus sich heraus verständlich. Nähme man die Rechenschritte aber heraus, litte die Verständlichkeit. Allein dies lässt Zweifel aufkommen, ob man dann noch davon sprechen kann, die Abrechnung sei aus sich heraus verständlich, so wie es der h.M. entspricht (vgl. Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- u. Wohnraummiete, 4. Aufl., Rn. III. A. 206; BGH, Urt. v. 28.05.2008 – VIII ZR 261/07 Rn. 12 – NJW 2008, 2260 = MM 2008, 29 und das AG Frankfurt, Urt. v. 08.09.2015 – 33 C 1729/15 (29) m.w.N.).
In der Konsequenz wird ein Mieter verunsichert, wenn wegen der nun fehlenden Rechenschritte das Zahlenwerk nicht mehr aus sich heraus nachvollziehbar ist. Somit werden vermehrt Rückfragen beim Vermieter provoziert. Was in kleineren Beständen, bei vier oder fünf Mietwohnungen noch tolerabel ist, schlägt sich bei größeren Wirtschaftseinheiten rasch in einem merklichen Anstieg der Verwaltungskosten nieder. Erschwerend kommt noch Folgendes hinzu: Der BGH verweist gern „auf das durchschnittliche Verständnisvermögen eines juristisch und betriebswirtschaftlich nicht geschulten Mieters“ (BGH, Urt. v. 23.11.1981 – VIII ZR 298/80 – WuM 1982, 207 = ZMR 1982, 108; seither st. Rspr., zuletzt BGH, Urt. v. 22.10.2014 – VIII ZR 97/14 – NZM 2014, 902). Dieser durchschnittliche Mieter sieht sich aber bei großen Wirtschaftseinheiten anlässlich der Belegeinsicht rasch einer derartigen Vielzahl von Unterlagen, Rechnungen, Lieferscheinen, Stundenzetteln usw. gegenüber, dass er (so: Blank, WuM 2016, 173 zu II.), „alsbald vor der unübersichtlichen Fülle des Materials kapitulieren“ wird. Letztlich verkehrt die Auflockerungsrechtsprechung des BGH die beabsichtigte Vereinfachung in ihr Gegenteil: Es wird komplizierter. Und obendrein für Vermieter und Mieter zeitaufwendiger: Denn der Vermieter muss nun häufiger für die Belegeinsicht jedes Mal Personal abstellen. Und der Mieter muss unter Umständen eine beträchtliche Anreise bewältigen (vgl. AG Köpenick, Urt. v. 04.04.2014 – 17 C 11/14 – Grundeigentum 2014, 749: 18 km Entfernung zum Sitz des Vermieters sind zumutbar; AG Potsdam, Urt. v. 09.07.2015 – 24 C 247/14: 27 km sind nicht zumutbar).
All dieser Aufwand, nur um z.B. in einer tabellarischen Abrechnung zwei Spalten zu sparen?
Und obendrein ist mit dem Weglassen der Rechenschritte rein gar nichts gewonnen. Denn die Berechnungen müssen ja ohnehin erfolgen. Dann kann man die Rechenschritte auch von vornherein in die Abrechnung aufnehmen, sofern – und das ist unverzichtbar – ihre Verständlichkeit gewahrt bleibt.
Vor diesem Hintergrund ist es – bis auf Ausnahmefälle – dringlich zu empfehlen, notwendige Rechenschritte sehr wohl in die Abrechnung aufzunehmen. Denn die neue BGH-Rechtsprechung wiegt den Vermieter in bloß trügerischer Sicherheit. Wenn nämlich der Mieter gegen Ende der 12-Monatsfrist des § 556 Abs. 3 Satz 5 BGB fehlende Zahlenangaben moniert, besteht das Risiko, dass z.B. Unterlagen und Belege nicht mehr greifbar sind oder das Personal gewechselt hat etc. pp. Dann kann zum Nachteil des Vermieters der Nachweis der materiellen Richtigkeit rasch misslingen. Es lohnt nicht, dieses Risiko einzugehen.