Nachfolgend ein Beitrag vom 29.6.2017 von Börstinghaus, jurisPR-MietR 13/2017 Anm. 1
Orientierungssätze zur Anmerkung
1. Soll eine Wohnung im Mieterhöhungsverfahren in eine jüngere Baualtersklasse eingruppiert werden, muss dies im Erhöhungsverlangen begründet werden.
2. Eine solche Begründung kann im Zustimmungsverfahren nachgeholt werden. Dadurch wird aber eine neue Überlegungs- und Klagefrist in Gang gesetzt.
3. Ein Einordnung in eine jüngere Baualtersklasse ist nach einer umfassenden Modernisierung im Einzelfall möglich.
4. Auch in einem Sachverständigengutachten über die Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete darf der Sachverständige Neuvertragsmieten berücksichtigen. Entscheidend ist das richtige Mischungsverhältnis.
A. Problemstellung
Wohnungen soll das gelingen, was manche Menschen auch gerne erreichen würden: Sie können „jünger“ werden. Hintergrund ist die Tatsache, dass die ortsübliche Vergleichsmiete nach den fünf in § 558 Abs. 2 BGB benannten Wohnwertmerkmalen ermittelt werden soll. Eines dieser Merkmale ist die „Beschaffenheit“. Insofern hat es sich seit Jahrzehnten eingebürgert, die Beschaffenheit eines Gebäudes über das Baualter festzulegen. Das Baualter ist dabei kein Wohnwertmerkmal, sondern ein Indiz für eine bestimmte Beschaffenheit. In der Praxis taucht dann die Frage auf, ob das Baualter eines Gebäudes für die Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete ein für alle Mal feststeht oder ob dies ggf. nach einer Investition in das Objekt neu festzusetzen ist. Mit dieser Frage und der Frage, wie in einem solchen das Mieterhöhungsverlangen zu formulieren ist, hat sich das AG Köln beschäftigt.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Vermieterin ist Eigentümerin einer in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts errichteten Siedlung in Köln, in der der Beklagte im Jahre 2014 eine Wohnung zu einer Kaltmiete von 375 Euro gemietet hat. Die Klägerin hatte die ganze Siedlung im Jahre 2005 für 18,7 Mio. Euro umfangreich saniert. Im Mai 2015 verlangte die Vermieterin Zustimmung zu einer Mieterhöhung auf 431,25 Euro. Nachdem der Mieter nicht zugestimmt hatte, erhob die Vermieterin Zustimmungsklage.
Diese hatte beim AG Köln teilweise Erfolg. Das Amtsgericht hat den Mieter nach Einholung eines Sachverständigen- und eines Ergänzungsgutachtens zur Zustimmung zu einer Mieterhöhung auf 426,96 Euro und zwar erst ab 01.02.2016 statt 01.08.2015 verurteilt. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.
Das Gericht ist aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme zu dem Ergebnis gekommen, dass die ortsübliche Vergleichsmiete 426,06 Euro beträgt. Das habe sich aus dem Sachverständigengutachten ergeben. Der Sachverständige habe alle Besonderheiten der Wohnung im Rahmen der Höherstufung berücksichtigt. Es habe auch keine unzulässige Doppelverwertung von Merkmalen diesbezüglich vorgelegen, da es mehr modernisierungsbedingte Kriterien und Vorteile gab, als für eine Höherstufung in eine jüngere Altersklasse erforderlich gewesen seien. Soweit Zuschläge auf Vorteile gestützt worden seien, die nicht die ganze Wohnung betreffen, habe der Sachverständige dies angemessen berücksichtigt.
Soweit der Sachverständige als Vergleichsmieten auch Neuvertragsmieten in Ansatz gebracht habe, hat das Amtsgericht dies ebenfalls nicht beanstandet, da der Sachverständige das Verhältnis von Alt- und Neumieten berücksichtigt und bewertet habe.
Bedenken hat das Gericht aber beim Wirkungszeitpunkt der Mieterhöhung. Das Begründungserfordernis gemäß § 558a BGB solle u.a. dem Mieter die Möglichkeit geben, dessen Berechtigung zu überprüfen. Dazu sei es erforderlich, dass die Einordnung, soweit diese nicht selbstverständlich oder aus anderen Umständen bekannt sei, begründet werde. Daran fehlte es hier zunächst. Allein der Hinweis im Erhöhungsschreiben, dass in der Folgezeit mittels wesentlichen Bauaufwandes ein Zustand hergestellt worden sei, der neuzeitlichen Ansprüchen genüge, reiche nicht, da es nur eine sehr pauschale Mitteilung sei, die nicht die geringsten Angaben zu den Änderungen und deren Zeitpunkt enthalte. Auch wenn die Anforderungen an die Begründung eines Erhöhungsbegehrens nicht übertrieben werden sollen, ermögliche diese Leerformel gar keine Überprüfung durch den Mieter und sei deshalb nicht ausreichend.
Dieser Mangel sei jedoch gemäß § 558b Abs. 3 BGB dadurch geheilt worden, dass im Schriftsatz vom 27.10.2015 ausreichende Angaben zu den Modernisierungsmaßnahmen gemacht worden seien mit der Folge, dass die Zustimmungsfrist nunmehr bis zum 31.01.2016 laufe, eine Erhöhung also gemäß § 558b Abs. 1, Abs. 3 Satz 2 BGB erst ab 01.02.2016 wirksam werden konnte.
C. Kontext der Entscheidung
Das Baualter ist kein Dogma, es ist ein Indiz. Insofern ist der Weg des AG Köln völlig richtig. Das Baualter beeinflusst durchaus den Mietpreis, auch wenn heute durch die fortschreitende Modernisierung des Wohnungsbestandes seine Bedeutung bei Altbauten immer mehr abnimmt. Dabei ist das Baualter selbst kein Wohnwertmerkmal i.S.d. § 558 Abs. 2 BGB. Über das Baualter soll und werden aber auf verhältnismäßig einfache Weise, wenn auch sehr grob, die Bauweise und der Baustandard abgefragt.
Zum Wohnwertmerkmal „Beschaffenheit“ gehört auch die Frage, ob eine Wohnung renoviert oder modernisiert ist. Diese Frage ist im Einzelfall immer wieder äußerst umstritten. Dabei muss vom Sinn und Zweck einer solchen Qualifizierung ausgegangen werden. Es geht bei der Beurteilung der Frage vor allem darum, nur vergleichbaren Wohnraum miteinander zu vergleichen. Dazu muss zunächst einmal der heutige „Normal-Standard“ für Gebäude einer bestimmten Altersklasse ermittelt werden. Wenn also so gut wie alle Wohnungen, die zwischen 1950 bis 1960 errichtet wurden, heute Isolierfenster haben, dann ist das die vergleichbare Beschaffenheit. Man kann allenfalls darüber nachdenken in den wenigen Fällen, in denen solche Fenster nicht vorliegen, einen Abschlag anzusetzen. Deshalb überzeugt vorliegend auch allein die große Zahl eines Investitionsvolumens von 18,7 Mio. Euro für die Sanierung der Siedlung nicht. Zum einen wird es sich nach gut 50 Jahren vor allem um Instandsetzungsarbeiten gehandelt haben und zum anderen ist in vielen Gebäuden dieses Alters entsprechend modernisiert worden.
Der Wohnwert eines Gebäudes nimmt mit der Dauer der Nutzung ab. Auf der anderen Seite steigt der Wohnwert neuer Wohnungen aufgrund technischer und rechtlicher Neuerungen stetig an. Durch Instandsetzungen und Instandhaltungen wird der Vermieter versuchen, den Wohnwert zumindest gleich zu halten. Von einer Modernisierung kann deshalb erst dann gesprochen werden, wenn dadurch insgesamt das Gepräge einer Neubauwohnung oder der entsprechende Wohnkomfort erreicht wird. Hingegen wird bei einer reinen Instandsetzung nur versucht, den Wohnwert, der nutzungsbedingt mit der Zeit gefallen war, wieder auf seine ursprüngliche Höhe zu bringen. Anders bei Modernisierungen, hier soll der Wohnwert der Altbauwohnung den Wert einer Neubauwohnung erreichen.
In der Regel bleibt das für die Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete maßgebliche Baualter einer Wohnung auch nach einer Modernisierung unverändert. Eine „Verjüngung“ der Wohnung, d.h. die Erfassung der Daten der Vergleichswohnung in der Baualtersklasse der Zeit der Modernisierung kommt allenfalls dann in Betracht, wenn auch rechtlich ein Neubau vorliegt. Hierzu können die Bestimmungen des Wohnraumförderungsgesetzes (WoFG) herangezogen werden. Gemäß § 16 Abs. 1 WoFG ist Wohnungsbau das Schaffen von Wohnraum in einem neuen selbstständigen Gebäude, die Beseitigung von Schäden an Gebäuden unter wesentlichem Bauaufwand, durch die die Gebäude auf Dauer wieder zu Wohnzwecken nutzbar gemacht werden, die Änderung, Nutzungsänderung oder Erweiterung von Gebäuden, durch die unter wesentlichem Bauaufwand Wohnraum geschaffen wird, oder Änderung von Wohnraum unter wesentlichem Bauaufwand zur Anpassung an geänderte Wohnbedürfnisse.
Eine solche Änderung der Baualtersklasse muss aber im Mieterhöhungsverlangen nachvollziehbar begründet werden.
Soweit wohl die Mieterseite gerügt hat, dass der Sachverständige auch Neuvertragsmieten bei der Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete ausgewertet hat, hat er genau das gemacht, was in § 558 Abs. 2 BGB steht. Danach wird die ortsübliche Vergleichsmiete gerade gebildet aus den Mieten, die vom Zugang des Erhöhungsverlangens an vier Jahre zurück gerechnet neuvereinbart wurden oder verändert wurden. Dazu zählt natürlich auch die Miete, die einen Tag vor dem Zugang des Erhöhungsverlangens neu vereinbart wurde. Entscheidend ist, dass der Sachverständige das richtige Mischungsverhältnis gewählt hat. In der Regel richtet sich dies nach dem tatsächlichen Vorkommen am regionalen Markt. In Gemeinden mit hoher Umzugsquote sind mehr Neuvertragsmieten und in Gemeinden mit weniger Umzügen sind mehr Bestandsmietenerhöhungen zu berücksichtigen.
D. Auswirkungen für die Praxis
Für die Praxis bedeutet dies, dass zunächst der Zustand des Hauses genau festzustellen ist. Dann ist der Zustand (Beschaffenheit) im Erhöhungsverlangen auch wiederzugeben, damit der Mieter dann nachvollziehen kann, warum seine Wohnung in ein bestimmtes Mietspiegelfeld eingeordnet wird.