Nachfolgend ein Beitrag vom 10.6.2016 von Börstinghaus, jurisPR-BGHZivilR 10/2016 Anm. 2

Leitsatz

Der Einwendungsausschluss gemäß § 556 Abs. 3 Satz 6 BGB gilt grundsätzlich auch für solche Kosten, die gemäß § 556 Abs. 1 Satz 1 BGB in Verbindung mit der Betriebskostenverordnung in der Wohnraummiete generell nicht auf den Mieter umgelegt werden können.

A. Problemstellung

Bei der letzten großen Mietrechtsreform 2001 wurde bekanntlich auch für den preisfreien Wohnungsbau für Vermieter eine Abrechnungsfrist für Betriebskosten eingeführt, wie sie bis damals nur für den preisgebundenen Wohnungsbau galt. Gänzlich neu war dafür die im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens erst eingeführte Einwendungsausschlussfrist, wonach der Mieter binnen Jahresfrist nach Zugang der Abrechnung seine Einwendungen gegen die Abrechnung geltend machen muss. Anders als die Abrechnungsfrist gilt diese Einwendungsfrist aber im preisgebundenen Wohnungsbau nicht (BGH, Urt. v. 20.07.2005 – VIII ZR 371/04 – NZM 2005, 737). Da es deshalb vorher zu dieser Regelung keine Rechtsprechung gab, waren in der Folgezeit die Voraussetzungen und der Umfang des Einwendungsausschlusses strittig. Mit der vorliegenden Entscheidung dürfte der BGH eine der letzten Streitfragen geklärt haben.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Die klagenden Mieter haben vom beklagten Vermieter, einem vereidigten Buchprüfer und Fachanwalt für Steuer- und Strafrecht, eine Eigentumswohnung gemietet. Der Vermieter rechnete im Juli 2012 über die Betriebskosten 2011 ab, indem er die Abrechnung des WEG-Verwalters an die Mieter weiterleitete. Diese Abrechnung unterschied zwischen umlegbaren und nicht umlegbaren Betriebskosten (Verwaltungs- und Instandsetzungskosten). Außerdem setzte er die Vorauszahlungen der Mieter ca. 700 Euro zu niedrig an. Deshalb schloss die Abrechnung mit einem Nachzahlungsbetrag von fast 1.500 Euro statt mit einem Guthaben. Die Mieter zahlten den Betrag. Erst zwei Jahre später rügten sie die beiden Fehler und verlangten die Rückzahlung.
Das Amtsgericht hatte der Klage stattgegeben, das Landgericht hatte die Klage abgewiesen. Der BGH hat auf eine der ganz wenigen erfolgreichen Nichtzulassungsbeschwerden (Winter, NJW 2016, 922; Waclawik, NJW 2016, 1639) einen Mittelweg eingeschlagen und die Klage wegen der zu niedrigen Vorauszahlungen abgewiesen und wegen der Verwaltungs- und Instandsetzungskosten stattgegeben.
I. Einwendungsausschluss
Nach Ansicht des Senats unterfallen beide Einwände des Mieters dem Einwendungsausschluss des § 556 Abs. 3 Satz 5 BGB. Nach § 556 Abs. 3 Satz 5 BGB obliegt es dem Mieter, gegenüber dem Vermieter Einwendungen gegen die Abrechnung bis zum Ablauf des zwölften Monats nach Zugang der Abrechnung mitzuteilen. Voraussetzung hierfür ist, dass dem Mieter eine formell ordnungsgemäße Betriebskostenabrechnung zugegangen ist (BGH, Urt. v. 08.12.2010 – VIII ZR 27/10 – NJW 2011, 1867). Diese Voraussetzung ist nach Ansicht des Senats gegeben. Die beiden unstreitig vorliegenden Mängel, wie die zu niedrig angesetzten Vorauszahlungen sowie die Abrechnung von Betriebskosten, die gemäß § 1 Abs. 2 der BetrKV nicht auf den Mieter umgelegt werden können, stellen lediglich inhaltliche Fehler der Abrechnung dar, die die formelle Ordnungsgemäßheit der Abrechnung nicht in Frage stellen (BGH, Urt. v. 12.01.2011 – VIII ZR 148/10 – NZM 2011, 240; BGH, Urt. v. 18.05.2011 – VIII ZR 240/10 – NJW 2011, 2786).
II. Vorauszahlungen
Hinsichtlich der zu gering angesetzten Vorauszahlungen wiederholt der Senat seine bisherige Rechtsprechung (BGH, Urt. v. 13.12.2011 – VIII ZR 286/10 – WuM 2012, 98), wonach der Einwendungsausschluss auch für in der Abrechnung zu niedrig angesetzte Vorauszahlungen gilt. Der Senat konnte auch keine Umstände erkennen, aus denen zu entnehmen war, warum die Mieter die Versäumung der Frist nicht zu vertreten hätten.
III. Verwaltungs- und Instandsetzungskosten
Auch bei diesen Positionen, die bereits nach der gesetzlichen Definition gar nicht Betriebskosten sind, geht der Senat zunächst von einem Einwendungsausschluss aus. Ob das so ist, war bisher strittig und höchstrichterlich nicht entschieden. Letztendlich standen sich hier zwei Argumentationen diametral gegenüber. Eine eher am Wortlaut orientierte Auslegung wies darauf hin, dass bereits die amtliche Überschrift des § 556 BGB dafür spricht, dass die Vorschrift nur für Betriebskosten gilt. Ferner wurde auf das Nachteilsverbot in § 556 Abs. 6 BGB verwiesen. Wenn bestimmte Kosten schon rechtlich gar nicht dem Mieter in Rechnung gestellt werden dürften, dann sei es ein Wertungswiderspruch, wenn eine solche rechtswidrige Abrechnung nach Ablauf der Jahresfrist wirksam werde. Die andere Auffassung, der sich der BGH jetzt angeschlossen hat, argumentiert stärker mit dem Sinn und Zweck der Vorschrift, der eben gerade darin bestünde, in absehbarer Zeit nach einer Betriebskostenabrechnung Klarheit über die wechselseitig geltend gemachten Ansprüche zu erzielen. Eine solche Befriedungsfunktion wäre gefährdet, wenn die Einwendung des Mieters, bestimmte Kosten seien generell nicht als Betriebskosten umlagefähig, auch noch nach Fristablauf erhoben werden könnte. Dies gelte umso mehr, als die Zuordnung zu umlegbaren und nicht umlegbaren Betriebskosten nicht immer eindeutig sei.
Jedoch kann es nach Ansicht des BGH gegen Treu und Glauben verstoßen, wenn der Vermieter sich auf den Ablauf der Einwendungsausschlussfrist beruft. Dies hat der Senat vorliegend für diese beiden Kostenpositionen angenommen, weil der Vermieter in der in Bezug genommenen Abrechnung des WEG-Verwalters selbst auf die fehlende Umlagefähigkeit dieser Kosten hingewiesen hat. Damit habe der Vermieter aus Sicht der Mieter schon bei der Abrechnung zum Ausdruck gebracht, dass ihm diese Positionen nicht zustehen; hieran müsse er sich auch nach Ablauf der Einwendungsfrist festhalten lassen.

C. Kontext der Entscheidung

Damit hat der Senat wahrscheinlich eine der letzten Fragen des Einwendungsausschlusses entschieden.
Damit die Frist für den Mieter überhaupt zu laufen beginnt, muss ihm eine formell ordnungsgemäße Abrechnung zugehen (BGH, Urt. v. 08.12.2010 – VIII ZR 27/10 – NZM 2011, 401). Die Abrechnung von Betriebskosten, für die es an einer Umlagevereinbarung fehlt oder für die eine Pauschale vereinbart ist, ist nicht formell unwirksam (BGH, Urt. v. 18.02.2014 – VIII ZR 83/13 – WuM 2014, 336). Dabei ist es unerheblich, ob lediglich für einzelne Betriebskostenarten oder für die Betriebskosten insgesamt keine Umlagevereinbarung zwischen den Mietvertragsparteien getroffen worden ist. Zum Umfang des Ausschlusses hatte der Senat (BGH, Urt. v. 10.10.2007 – VIII ZR 279/06 – NJW 2008, 283) zunächst entschieden, dass zu den Einwendungen, die ein Mieter fristgerecht erheben muss, auch der Einwand gehöre, dass es für einzelne, nach § 556 Abs. 1 BGB grundsätzlich umlagefähige Betriebskosten an einer vertraglichen Vereinbarung über deren Umlage fehle. Später hat er (BGH, Urt. v. 05.03.2008 – VIII ZR 80/07 – NJW 2008, 1521) dies für den Einwand, dass die Kosten im Rahmen einer Teilinklusivmiete – teilweise – abgegolten sein sollten, konkretisiert. Wenig später hat er diese Rechtsprechung auf Betriebskostenpauschalen übertragen (BGH, Urt. v. 12.01.2011 – VIII ZR 148/10 – NZM 2011, 240). Und schließlich muss der Mieter Einwendungen gegen die Betriebskostenabrechnung dem Vermieter auch dann innerhalb eines Jahres (erneut) mitteilen, wenn er sie bereits gegenüber einer früheren Abrechnung erhoben hatte (BGH, Urt. v. 12.05.2010 – VIII ZR 185/09 – NJW 2010, 2275).

D. Auswirkungen für die Praxis

Das bedeutet, dass bei Fristüberschreitungen der einzige „Rettungsanker“ für den Mieter und seinen Vertreter sein kann, die formelle Ordnungsgemäßheit der Abrechnung anzugreifen. Aber auch hier liegt die Messlatte inzwischen sehr hoch. Die Abgrenzung zwischen formeller Wirksamkeit einer Betriebskostenabrechnung gemäß § 556 BGB einerseits und deren inhaltlicher Richtigkeit andererseits richtet sich danach, ob der durchschnittliche Mieter in der Lage ist, die Art des Verteilerschlüssels der einzelnen Kostenpositionen zu erkennen und den auf ihn entfallenden Anteil an den Gesamtkosten rechnerisch nachzuprüfen (formelle Wirksamkeit). Ob die abgerechneten Positionen dem Ansatz und der Höhe nach zu Recht bestehen oder sonstige Mängel der Abrechnung vorliegen, etwa ein falscher Anteil an den Gesamtkosten zugrunde gelegt wird, betrifft die inhaltliche Richtigkeit der Betriebskostenabrechnung (BGH, Urt. v. 19.11.2008 – VIII ZR 295/07 – NJW 2009, 283).
Auch wenn es vom Senat bisher noch nicht entschieden wurde, dürfte aufgrund der vorliegenden Entscheidung auch feststehen, dass der Mieter einen Verstoß gegen das Gebot der Wirtschaftlichkeit innerhalb der Einwendungsausschlussfrist geltend machen muss (so auch Flatow, jurisPR-MietR 9/2016 Anm. 3; Blank, IMR 2016, 191; a.A. noch AG Dortmund, Urt. v. 22.03.2016 – 425 C 9513/15; (Zehelein in: Langenberg/Zehelein, Betriebskosten- und Heizkostenrecht, 8. Aufl. 2016, J 75; Zehelein, NZM 2014, 369; Derckx, NZM 2014, 372). Da der BGH aber betont, dass die Befriedungsfunktion dem seiner Meinung nach ambivalenten Wortlaut der Vorschrift vorgehe, ist davon auszugehen, dass er auch Hinweise auf einen Verstoß gegen das Gebot der Wirtschaftlichkeit dem Einwendungsausschluss unterwirft. Das ist deshalb fraglich, weil es sich ja nach der Rechtsprechung des BGH um einen Schadensersatzanspruch wegen einer Pflichtwidrigkeit des Vermieters handelt. Da das Gebot selbst aber in § 556 Abs. 2 BGB statuiert ist, wäre es eher verwunderlich, wenn der Senat hier eine Ausnahme machen würde.