Nachfolgend ein Beitrag vom 2.6.2016 von Schach, jurisPR-MietR 11/2016 Anm. 3

Leitsatz

§ 556a Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 BGB gestattet es, verursachungsabhängige Betriebskosten nicht zu 100% nach erfasster Verursachung umzulegen, sondern in gewissem Umfang verursachungsunabhängige Kostenbestandteile in die Umlage der Betriebskosten einzubeziehen (Fortführung von BGH, Urt. v. 06.10.2010 – VIII ZR 183/09 – NJW 2010, 3645). Nach dieser Maßgabe ist es zulässig, bei der Abrechnung der Betriebskosten der Müllbeseitigung am Maßstab des verursachten und erfassten Restmülls eine angemessene Mindestmenge zu berücksichtigen. Eine Änderung des Abrechnungsmaßstabes gemäß § 556a Abs. 2 Satz 1 BGB schließt es nicht aus, das Änderungsrecht für einen künftigen Abrechnungszeitraum erneut auszuüben, weil sich der gewählte Maßstab als korrekturbedürftig erweisen kann.

A. Problemstellung

Nach der Entscheidung des BGH vom 06.10.2010 (VIII ZR 183/09 – NJW 2010, 3645) lässt § 556a Abs. 1 Satz 2 BGB es zu, dass grundsätzlich die Kosten der Wasserversorgung für die Wohnung nach dem erfassten Wasserverbrauch umgelegt werden, also auch insoweit, als Fixkosten wie Grundgebühren oder Zählermiete unabhängig vom tatsächlichen Wasserverbrauch anfallen. Das Gesetz stecke mit der Gesetzesformulierung einen Rahmen ab, innerhalb dessen sich die Umlegung verbrauchsabhängiger Betriebskosten zu bewegen habe, wenn der Verbrauch erfasst werde. Der Abrechnung müsse aber ein Maßstab zugrunde liegen, der dem unterschiedlichen Verbrauch „Rechnung trage“, d.h. ihn angemessen berücksichtige.
Es stellt sich nunmehr die Frage, ob diese Auslegung auf sämtliche Betriebskostenarten, die verbrauchsabhängig abgerechnet werden können, Anwendung findet bzw. sogar noch ausgedehnt werden kann. Mit dieser Frage hat sich der BGH in der Besprechungsentscheidung befasst.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Im Mietvertrag war u.a. die Umlage der Kosten der Müllbeseitigung auf den Mieter vereinbart. Im Rechtsstreit ging es um die Frage, ob der Vermieter berechtigt ist, im Rahmen der Müllentsorgung anhand der Verursachung eine Mindestmüllmenge im jeweiligen Mieterhaushalt zu berechnen. Zuvor hatte der Vermieter dem Mieter mitgeteilt, dass er die Müllentsorgungskosten ab 2008 nicht mehr – wie bisher – insgesamt nach der Wohnfläche, sondern zu 30% nach der Wohnfläche und zu 70% nach dem erfassten Volumen abrechnen werde. Zur Erfassung des Volumens und Bedienung der für den Restmüll eingerichteten Abfallschleuse erhalte jede Wohnungseinheit einen Transponder oder Identchip. Auf diese Weise wurden in den Betriebskostenabrechnungen 2008 für den Mieter und seine Ehefrau 95 Liter und 65 Liter Restmüll für 2009 erfasst. 2009 teilte der Vermieter dem Mieter mit, dass die Abfallschleuse bisher nicht von allen Haushalten genutzt werde; die gemeindliche Abfallsatzung sehe jedoch ein zu bezahlendes Mindestvorhaltevolumen vor. Er werde für den Restmüll ab 2010 eine Mindestmenge in Ansatz bringen und zwar für einen – wie vorliegend – Zweipersonenhaushalt zehn Liter pro Woche berechnen, jährlich somit 520 Liter. Der bisherige Verteilerschlüssel werde beibehalten; die Umlage erfolge weiterhin zu 70% nach individueller Verursachung (unter Berücksichtigung der Mindestmenge) und zu 30% nach der Wohnfläche.
Der Mieter meint, der Vermieter dürfe für die gegenständlichen Perioden nicht die vorgenannte Mindestmenge, sondern nur die tatsächlich erfasste Schüttmenge zugrunde legen. Diese beziffere er für seinen Haushalt für das Jahr 2010 auf 70 Liter, für 2011 auf 60 Liter. Das errechnete Guthaben forderte er im Rechtsstreit zurück, wollte in erster Linie allerdings erreichen, dass der Vermieter die Kosten der Restmüllbeseitigung neu berechnet. Damit hatte er in der Instanz Erfolg; der Vermieter verfolgte mit der vom Landgericht zugelassenen Revision seinen Klageabweisungsantrag weiter.
Der BGH hat das Berufungsurteil unter Klageabweisung abgeändert.
Entgegen der Ansicht des Landgerichts gestatte es § 556a Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 BGB bei der Abrechnung der Betriebskosten der Müllbeseitigung eine angemessene Mindestmenge bei der Verursachung von Restmüll zu berücksichtigen. Dabei führt der BGH seine Rechtsprechung aus dem Urteil vom 06.10.2010 (VIII ZR 183/09) fort. Nach den dort aufgeführten Grundsätzen sei der Ansatz einer angemessenen Mindestmenge bei der Umlage der Kosten des verursachten Restmülls nicht zu beanstanden. Der Vermieter habe die Kostenverteilung nicht lediglich nach der Wohnfläche vorgenommen, sondern gesetzeskonform einen verursachungsabhängigen Verteilerschlüssel gewählt. Dieser gestatte es, eine verursachungsgerechte Abrechnung auch unter Berücksichtigung eines Festanteils vorzunehmen, denn diese Bestimmung berechtige den Vermieter, die Betriebskosten „ganz oder teilweise“ nach einem Maßstab umzulegen, der der erfassten unterschiedlichen Verursachung Rechnung trage. Aus dem Gesetzeswortlaut „teilweise“ folge, dass der kombinierte Ansatz einer festen Mindestmenge bei der Kostenumlage zulässig sei. Dieses Verständnis entspreche dem in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzgebers, der mit der Regelung des § 556a Abs. 2 BGB u.a. das Ziel verfolge, mehr Abrechnungs- und Kostengerechtigkeit zu schaffen. Zwar möge es sein, dass sich hierdurch in gewissem Umfang Mieter benachteiligt sehen, die tatsächlich weniger Abfall produzieren. Die Berücksichtigung einer Mindestmüllmenge sei gleichwohl sachlich gerechtfertigt, weil sie dem Anreiz entgegenwirke, dass sich einzelne Mieter zur Minimierung ihrer Betriebskosten der Erfassung des Restmülls entzögen, indem sie diesen auf den Standplätzen der Hausmüllcontainer abstellten, die Wertstofftonnen fehlerhaft befüllten oder den Restmüll an anderer Stelle entsorgten, sei es in Nachbarobjekten, öffentlichen Abfallbehältern oder auf Wald- und Freiflächen. Ein solches Verhalten beeinträchtige die Kostengerechtigkeit, denn es ginge zulasten vertragstreuer Mieter, die für die kommunalen Abfallgebühren in unverhältnismäßig größerem Umfang aufzukommen hätten, wenn der kommunale Entsorgungsträger seinerseits Festkosten zugrunde lege, im gegebenen Fall ein Mindestvorhaltevolumen für Restmüll aus privaten Haushalten von zehn Litern pro Person und Woche. Die Wahl eines solchen Maßstabes durch den Vermieter sei grundsätzlich nicht zu beanstanden.
Einer Umlage der Kosten der Müllbeseitigung unter Berücksichtigung einer Mindestmüllmenge stehe nicht entgegen, dass der Vermieter zunächst eine verursachungsabhängige Umlage ohne Ansatz einer Mindestmüllmenge bestimmt habe. Die Ausübung des Bestimmungsrechts sei nicht nur einmal möglich, sofern der Mieter sich nicht mit einer weiteren Änderung einverstanden erklärt. Die Änderung des Abrechnungsmaßstabes wirke zwar nur für die Zukunft. Das schließe jedoch nicht aus, dass das Änderungsrecht für einen künftigen Abrechnungszeitraum erneut ausgeübt werde. Das sei auch sachgerecht, denn die Überprüfung, ob der gewählte Maßstab noch dem Gerechtigkeitsgebot entspreche, sei von den tatsächlichen Gegebenheiten abhängig und könne nach Ablauf des Abrechnungszeitraums unter Umständen korrekturbedürftig sein.

C. Kontext der Entscheidung

Die vorliegende Entscheidung ist im Hinblick auf die BGH-Entscheidung vom 06.10.2010 (VIII ZR 183/09) folgerichtig. Das Ergebnis, auch eine angemessene Mindestmenge an Restmüll sei zu berücksichtigen, ist hinsichtlich allgemeiner Auslegungskriterien für Gesetze mutig, aber ausgesprochen vernünftig. In der Entscheidung findet sich der Satz, die Umlagegerechtigkeit von Betriebskosten sei nicht die einzige Anforderung an Betriebskostenabrechnungen. Absolute Verteilungsgerechtigkeit werde vom Gesetz nicht gefordert (juris Rn. 17).
Bei den Ausführungen zur Angewohnheit von Menschen, Restmüll überall zu verteilen, gerät man ins Schmunzeln. Die Krönung sind aber die Bemerkungen zu den Behauptungen des Mieters, in den Jahren 2010 und 2011 seien weniger als ein Liter Restmüll pro Person und Woche verursacht worden! Einer Kommentierung bedarf es hier nicht.
Eine andere Frage ist allerdings, ob die Müllbeseitigung ein typisches Beispiel für die Möglichkeit verbrauchsabhängiger Abrechnung ist. Die Müllgefäße haben zwar Mengenangaben in Litern. Dennoch hängt das Volumen von der Lagerung des Restmülls in der Tonne ab. Darf der Restmüll vom Entsorger zusammengepresst werden? Jedenfalls sind Messungenauigkeiten nicht von der Hand zu weisen. Aber wie ausgeführt: Absolute Abrechnungsgerechtigkeit gibt es nicht.

D. Auswirkungen für die Praxis

Es erscheint wahrscheinlich, dass andere Städte und Gemeinden auch dazu übergehen werden, die Berücksichtigung von Mindestmengen für Restmüll vorzuschreiben. Das wird soweit gehen, die Größe der Mülltonnen von der Größe des Haushalts abhängig zu machen. Aber auch nur so wird man die Unsitte verringern können, überall in der Natur Müll abzulagern. Übrigens: Es hat in der Rechtsprechung ziemlich lange gedauert, die Entsorgung von Sperrmüll durch den Vermieter, der im Haus ständig irgendwelche anonym abgestellte Gegenstände findet, als Betriebskosten zuzulassen.