Nachfolgend ein Beitrag vom 16.6.2016 von Borzutzki-Pasing, jurisPR-MietR 12/2016 Anm. 3

Orientierungssätze zur Anmerkung

1. Ein formularvertragliches Aufrechnungsverbot ist gemäß § 307 BGB unwirksam, wenn es zwar die Aufrechnung mit unbestrittenen, rechtskräftig festgestellten oder entscheidungsreifen Forderungen zulässt, aber die Zulässigkeit der Aufrechnung auf Forderungen aus dem Mietverhältnis beschränkt.
2. Dies ergibt sich aus der gesetzlichen Vorgabe aus § 309 Nr. 3 BGB, die zwar gemäß § 310 Abs. 1 BGB i.V.m. § 14 BGB im unternehmerischen Bereich nicht unmittelbar anwendbar ist, jedoch im Rahmen von § 307 BGB eine konkretisierte Ausgestaltung des Benachteiligungsverbots darstellt.

A. Problemstellung

Seit langem vertraut ist die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Zulässigkeit von Klauseln, welche die Aufrechnung davon abhängig machen, dass die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung unstreitig, rechtskräftig feststehend oder entscheidungsreif ist (vgl. etwa BGH, RE v. 26.10.1994 – VIII ARZ 3/94 – BGHZ 127, 245; NJW 1995, 254). Nunmehr hat der BGH eine derartige Klausel dann für unwirksam gehalten, wenn sie die Zulässigkeit der Aufrechnung mit solchen Forderungen auf solche aus dem Mietverhältnis beschränkt.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Der Kläger verlangte als Vermieter von Gewerberaum von der Beklagten rückständige Miete. Die Beklagte berief sich wegen Mängeln auf Minderung. Der Mietvertrag enthielt folgende Klausel:
„Der Mieter kann gegen die Miete weder aufrechnen noch ein Zurückbehaltungsrecht ausüben oder die Miete mindern. Hiervon ausgenommen sind Forderungen des Mieters wegen Schadenersatz für Nichterfüllung oder Aufwendungsersatz infolge eines anfänglichen oder nachträglichen Mangels der Mietsache, den der Vermieter wegen Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit zu vertreten hat, und andere Forderungen aus dem Mietverhältnis, soweit sie unbestritten, rechtskräftig festgestellt oder entscheidungsreif sind.
Die Aufrechnung oder die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts ist nur zulässig, wenn der Mieter seine Absicht dem Vermieter mindestens einen Monat vor Fälligkeit der Miete schriftlich angezeigt hat.“
Amts- und Landgericht hatten der Klage stattgegeben. Nach dem Mietvertrag könne die Beklagte die Miete weder mindern noch gegen sie aufrechnen. Die Vertragsbestimmung sei im gewerblichen Mietrecht nicht unangemessen und halte einer Überprüfung i.S.v. § 310 Abs. 1 Satz 2 BGB i.V.m. § 307 Abs. 1 und 2 BGB stand. Die Klausel sei so zu verstehen, dass sie das Minderungsrecht des Mieters nicht generell ausschließe, sondern ihm die Möglichkeit belasse, einen Rückzahlungsanspruch wegen überzahlter Miete als Bereicherungsanspruch geltend zu machen. Ausgeschlossen sei nur die Verwirklichung der Minderung durch Abzug vom Mietzins. Durch die Klausel werde auch nicht gegen § 309 Nr. 7a BGB verstoßen, da die Verschuldenshaftung des Vermieters aus § 823 Abs. 1 BGB für mängelbedingte Körperschäden des Mieters nicht durch die Klausel beschränkt werde. Ebenso seien die im Mietvertrag festgelegte Ankündigungsfrist von einem Monat sowie die getroffene Differenzierung nach unstreitigen oder rechtskräftig festgestellten Gegenforderungen einerseits und solchen streitiger Art andererseits formularmäßig zulässig.
Der BGH hat die auf die Revision der Beklagten das Urteil des Landgerichts aufgehoben und die Sache zurückverwiesen.
Im Ansatz hat der BGH bestätigt, dass die Mietminderung bei der Geschäftsraummiete anders als bei der Wohnraummiete eingeschränkt werden könne. Dies folge aus einem Umkehrschluss zu § 536 Abs. 4 BGB. Eine solche Einschränkung sei grundsätzlich auch formularmäßig möglich.
Die in der Klausel enthaltene Ausnahme für unbestrittene, rechtskräftig festgestellte oder entscheidungsreife Forderungen beschränke sich jedoch ausdrücklich auf Forderungen „aus dem Mietverhältnis“. In Bezug auf nicht aus dem Mietverhältnis stammende Forderungen bleibe es daher klauselgemäß bei dem uneingeschränkten Aufrechnungsverbot. Danach erlaube die Klausel keine Aufrechnung gegen die Miete mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderungen aus einem außerhalb des Mietvertrages stehenden Rechtsverhältnis.
Mit diesem Verständnis halte die Klausel einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB nicht stand. Nach § 309 Nr. 3 BGB sei eine Bestimmung unwirksam, durch die dem Vertragspartner des Verwenders die Befugnis genommen werde, mit einer unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderung aufzurechnen. Diese Bestimmung sei zwar im vorliegenden Fall nicht unmittelbar anwendbar, weil die Beklagte die Räume als Unternehmerin gemietet habe (§ 310 Abs. 1 BGB i.V.m. § 14 BGB). Sie stelle aber eine konkretisierte Ausgestaltung des Benachteiligungsverbots des § 307 BGB dar, da es sich bei dem Ausschluss der Aufrechnung in den genannten Fällen um eine besonders schwerwiegende Verkürzung der Rechte des Vertragspartners handele, die auch im Geschäftsverkehr nicht hingenommen werden könne.
Der inhaltlich an § 309 Nr. 3 BGB auszurichtenden Inhaltskontrolle halte das Aufrechnungsverbot nicht stand, weil es die Zulässigkeit der Aufrechnung unbestrittener oder rechtskräftig festgestellter Forderungen auf solche aus dem Mietverhältnis beschränke. Eine derartige Verkürzung der Gegenrechte des Beklagten benachteilige diesen entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen und sei daher gemäß § 307 BGB unwirksam. Der Verstoß habe zur Folge, dass die Klausel insgesamt unwirksam sei. Eine geltungserhaltende Reduktion des Aufrechnungsverbots auf ein inhaltlich noch zulässiges Maß komme nicht in Betracht.

C. Kontext der Entscheidung

Die Entscheidung des BGH ist im Ergebnis richtig und überfällig, denn sie behebt einen bislang unsicheren Rechtszustand, an dessen Zustandekommen der BGH allerdings nicht unschuldig ist. Eine an § 309 Nr. 3 BGB ausgerichtete Inhaltskontrolle lässt eine Beschränkung der Aufrechnung auf Forderungen „aus dem Mietverhältnis“ nicht zu.
In einer früheren Entscheidung (BGH, Urt. v. 27.06.2007 – XII ZR 54/05) hatte der BGH allerdings bereits folgende Klausel zu bewerten:
„Der Mieter kann nur mit solchen Zahlungen aus dem Mietverhältnis aufrechnen oder die Zurückbehaltung erklären, die entweder rechtskräftig festgestellt sind oder zu denen die Vermieterin im Einzelfall jeweils ihre Zustimmung erklärt.“
Diese Klausel hat der BGH nur deshalb beanstandet, weil das Zustimmungserfordernis es in das Belieben der Vermieterin stellte, dem Mieter die Aufrechnung selbst mit unbestrittenen Gegenforderungen zu versagen und dessen Aufrechnungsbefugnis im Ergebnis auf rechtskräftig festgestellte Gegenforderungen zu beschränken. Auf den Umstand der Aufrechnungsbeschränkung („aus dem Mietverhältnis“) ist der BGH dagegen nicht eingegangen. Hätte er dies unter Anwendung der nunmehr angeführten Grundsätze schon damals getan, wäre es auf den zusätzlichen Zustimmungsvorbehalt überhaupt nicht entscheidend angekommen.
In einer weiteren Entscheidung (BGH, Urt. v. 14.11.2007 – VIII ZR 337/06 – Mummenhoff, jurisPR-MietR 12/2008 Anm. 5) hat der BGH eine zulässige Kombination von Vorauszahlungs- und Aufrechnungsklausel im Wohnraummietvertrag angenommen, wobei es ebenfalls um eine Klausel ging, der zufolge der Mieter nur mit Forderungen „aus dem Mietverhältnis“ aufrechnen durfte. Die Beschränkung des Aufrechnungsverbots auf Forderungen aus dem Mietverhältnis hat der BGH dabei erneut nicht aufgegriffen, obwohl § 309 Nr. 3 BGB im Rahmen der Wohnraummiete unmittelbar gilt und die vom BGH nunmehr angewendeten Grundsätze zur (Gesamt-)Unwirksamkeit der Klausel geführt haben müssten.
Auch das OLG Düsseldorf hat mit Urteil vom 08.05.2008 (I-10 U 8/08, 10 U 8/08) und Urteil vom 25.07.2013 (I-10 U 114/12, 10 U 114/12) eine Aufrechnungsbeschränkung auf Forderungen aus dem Mietverhältnis ohne weiteres gebilligt, desgleichen das OLG Frankfurt mit Urteil vom 01.03.2005 (22 U 187/03).
Demgegenüber ist schon das OLG Celle von der Unzulässigkeit einer Bestimmung ausgegangen, welche die Aufrechnung auf Gegenforderungen aus dem Mietverhältnis beschränkt (OLG Celle, Urt. v. 29.12.1989 – 2 U 200/88 m.w.N.). Eine solche Einschränkung der Aufrechnung auf konnexe Gegenforderungen sei mit § 11 Nr. 3 AGBG (jetzt: § 309 Nr. 3 BGB) unvereinbar. Die Vorschrift stelle nicht auf die Konnexität der Gegenforderung ab, die für die Aufrechnungslage ohnehin nicht vorausgesetzt sei (§ 387 BGB). Maßgeblich sei vielmehr, ob überhaupt eine zur Aufrechnung geeignete Gegenforderung – gleich aus welchem Rechtsverhältnis – bestehe, wobei die Aufrechnung mit unbestrittenen, rechtskräftig festgestellten oder entscheidungsreifen Ansprüchen nicht ausgeschlossen sein dürfe.
Dem ist zu folgen. Kritik mag zwar an der Formelhaftigkeit zu üben sein, mit der vom BGH eine unangemessene Benachteiligung i.S.v. § 307 BGB bejaht wird. Gemäß § 310 Abs. 1 Satz 2 BGB gelten die dort benannten Klauselverbote (zu denen § 309 Nr. 3 BGB gehört) im unternehmerischen Bereich nicht unmittelbar, sondern haben bei der Inhaltskontrolle im Rahmen von § 307 BGB nur Indizcharakter. Gerade im unternehmerischen Bereich (und auch bei der Gewerberaummiete) finden sich indessen nicht selten Vertragssituationen, bei denen der Hauptvertrag (Mietvertrag) mit Parallelverträgen einhergeht, weshalb sich – bei identischer Vertragsbeteiligung – unschwer vertragsübergreifende Aufrechnungslagen ergeben können. Von daher hat die Indizwirkung von § 309 Nr. 3 BGB in diesem Anwendungsbereich erhebliches Gewicht.
Die Anwendbarkeit des sog. Blue-Pencil-Tests hat der BGH verneint und die bloße Streichung des unzulässigen Regelungsteils („aus dem Mietverhältnis“) abgelehnt. Dies war nicht anders zu erwarten, denn in der praktischen Umsetzung des Blue-Pencil-Tests ist der BGH insgesamt zurückhaltend und kleinlich (vgl. dazu auch die Einschätzung und die Nachweise bei Schlosser in: Staudinger, BGB, § 306 Rn. 20). Seine Begründung, eine solche Streichung sei nicht möglich, weil die klauselmäßige Gestattung der Aufrechnungsmöglichkeit mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderungen inhaltlich derart eng mit der Beschränkung auf Forderungen aus dem Mietverhältnis selbst verknüpft sei, dass diese bei einem Herausstreichen der Beschränkung inhaltlich umgestaltet und mit einem anderen Inhalt aufrechterhalten würde, erscheint auch im vorliegenden Fall als formelhaft.
Auf die im Vertrag geregelte Ankündigungspflicht, wonach der Mieter seine (Aufrechnungs-)Absicht dem Vermieter mindestens einen Monat vor Fälligkeit der Miete schriftlich anzuzeigen hat, ist der BGH nicht gesondert eingegangen. Dies war auch nicht notwendig, denn Aufrechnungsklauseln, denen zufolge die Aufrechnung einen Monat zuvor anzukündigen ist, stellen schon nach früherer BGH-Rechtsprechung (selbst zur Wohnraummiete) keine unangemessene Benachteiligung des Mieters dar (vgl. BGH, Urt. v. 14.09.2011 – VIII ZR 301/10; BGH, Urt. v. 04.05.2011 – VIII ZR 191/10).

D. Auswirkungen für die Praxis

Es gibt sicherlich noch viele Verträge, die eine Aufrechnung nur mit Forderungen „aus dem Mietverhältnis“ zulassen. Bislang hatten solche Vertragsgestaltungen recht gute Chancen, unbemerkt durch das Raster der Inhaltskontrolle zu schlüpfen. Das dürfte sich künftig ändern. Bei der Vertragsgestaltung ist jedenfalls Vorsicht geboten.